vorderen Teil der spätromanischen (vgl. die Eckblätter
den Basen!) S. Luciaskrypta zu Chur in das sechste
Jahrhundert, die Gründungszeit des Baues. Von dem
bekannten romanischen Fenster aus Gräplüns im
Schweizerischen Landesmuseum heißt es: „Wahr-
scheinlich schon aus dem 12. jahrhundert“. Warum
„schon“? Die unverkennbar aus dem 14. Jahrhundert
stammenden Wandgemälde in Lenz auf der Lenzer
Haide werden als „vielleicht noch romanisch“ bezeich-
net, und so fort.
Eine Fülle herrlicher Biider nimmt auch hier den
Beschauer gefangen. Wo noch einmal gab es so dank-
bare Aufgaben im Zusammenstimmen von Landschaft
und Baukunst wie in diesem glücklichen Lande. Man
beachte im ersten Bande die Bilder aus Münster (S. 68),
Sils im Domleschg (S. 80), iMisox (S. 95), Fetau (S. 192),
Obersaxen (S. 277). Stehen die Kinder nicht auf ihren
Anhöhen, als wären sie vom Schöpfer dieser Landschaft
selbst hineingesetzt? Die wertvollsten Bauten im Bün-
derland sind der Dom zu Chur und die Benediktiner-
klöster in Münster und Disentis. Überwältigend ist die
Zahl der karolingischen und romanischen Bildwerke,
Wand- und Deckengemälde der gotischen Fresken und
ganz besonders die Schnitzaltäre des 15. Jahrhunderts,
von denen viele aus der Werkstatt der Strigel in Mem-
mingen stammen. Obgleich einige der schönsten in die
Museen von Zürich, Basel, Aachen und L.ondon ver-
schleppt sind, ein Schrein auch in die Frankfurter
Bartholomäuskirche, ist die Zahl der erhaltenen Schnitz-
altäre immer noch sehr groß.
In Hinsicht auf die Schönheit der Landschaft bie-
ten die nordöstlichen Kantone, das Land um den Sän-
tis, nicht so viel wie Graubünden, das riesige Qnell-
gebiet des Inns und des Rheins. Der Kunstwanderer
aber kommt auch in den Bodenseekantonen auf seine
Rechnung. An karolingischen und romanischen Bau-
denkmälern sind hier die Krypta des Klosters S. Gallen,
dessen ältester Plan sich in der Klosterbibliothek erhal-
ten hat, die Leonhardskapelle in Landschlacht und die
bedeutende Kirche in Scheunis zu nennen; die Zahl der
karolingischen Bildwerke ist hier gleichfalls beträcht-
lich; auch enthält die Bibiiothek zu S. Gallen bekanntlich
viele Schätze an vorkarolingischer und karolingischer
Buchmalerei sowie wertvolle Elfenbeinskulpturen. Von
gotischen Denkmälern sind das Kloster Mariaberg bei
Rorschach, das Dominikanerinnenkloster zu S. Gallen,
das Zisterzienserinnenkloster Liliental in Tänikon
nennenswert. Sehr bedeutende Bauwerke hat dann noch
das 18. Jahrhundert in der neuen Stiftskirche zu S. Gal-
len, der gewaltigen Schöpfung des Peter Thumb und des
Johann Michael Beer, in dem Augustinerchorherrnstift
zu Kreuzlingen und dem Dominikanerinnenkloster
S. Katharinental hervorgebracht.
Man darf dem Unternehmen Gaudys guten Fort-
gang wünschen. Vielleicht läßt sich der Herausgeber
künftig in Zweifelsfällen von Kunsthistorikern beraten,
um Mängel der oben gerügten Art zu vermeiden. Auf
jeden Fall wird, wer sich mit schweizerischer Kunst-
geschichte befaßt, auf Jahre hinaus zu diesen Bänden
greifen müssen, deren schönes Abbildungsmaterial auch
dem Nichtfachmann reinen Genuß bereitet.
Wilhelm Wagner
Aus der
Amsterdam-Mappe
268
den Basen!) S. Luciaskrypta zu Chur in das sechste
Jahrhundert, die Gründungszeit des Baues. Von dem
bekannten romanischen Fenster aus Gräplüns im
Schweizerischen Landesmuseum heißt es: „Wahr-
scheinlich schon aus dem 12. jahrhundert“. Warum
„schon“? Die unverkennbar aus dem 14. Jahrhundert
stammenden Wandgemälde in Lenz auf der Lenzer
Haide werden als „vielleicht noch romanisch“ bezeich-
net, und so fort.
Eine Fülle herrlicher Biider nimmt auch hier den
Beschauer gefangen. Wo noch einmal gab es so dank-
bare Aufgaben im Zusammenstimmen von Landschaft
und Baukunst wie in diesem glücklichen Lande. Man
beachte im ersten Bande die Bilder aus Münster (S. 68),
Sils im Domleschg (S. 80), iMisox (S. 95), Fetau (S. 192),
Obersaxen (S. 277). Stehen die Kinder nicht auf ihren
Anhöhen, als wären sie vom Schöpfer dieser Landschaft
selbst hineingesetzt? Die wertvollsten Bauten im Bün-
derland sind der Dom zu Chur und die Benediktiner-
klöster in Münster und Disentis. Überwältigend ist die
Zahl der karolingischen und romanischen Bildwerke,
Wand- und Deckengemälde der gotischen Fresken und
ganz besonders die Schnitzaltäre des 15. Jahrhunderts,
von denen viele aus der Werkstatt der Strigel in Mem-
mingen stammen. Obgleich einige der schönsten in die
Museen von Zürich, Basel, Aachen und L.ondon ver-
schleppt sind, ein Schrein auch in die Frankfurter
Bartholomäuskirche, ist die Zahl der erhaltenen Schnitz-
altäre immer noch sehr groß.
In Hinsicht auf die Schönheit der Landschaft bie-
ten die nordöstlichen Kantone, das Land um den Sän-
tis, nicht so viel wie Graubünden, das riesige Qnell-
gebiet des Inns und des Rheins. Der Kunstwanderer
aber kommt auch in den Bodenseekantonen auf seine
Rechnung. An karolingischen und romanischen Bau-
denkmälern sind hier die Krypta des Klosters S. Gallen,
dessen ältester Plan sich in der Klosterbibliothek erhal-
ten hat, die Leonhardskapelle in Landschlacht und die
bedeutende Kirche in Scheunis zu nennen; die Zahl der
karolingischen Bildwerke ist hier gleichfalls beträcht-
lich; auch enthält die Bibiiothek zu S. Gallen bekanntlich
viele Schätze an vorkarolingischer und karolingischer
Buchmalerei sowie wertvolle Elfenbeinskulpturen. Von
gotischen Denkmälern sind das Kloster Mariaberg bei
Rorschach, das Dominikanerinnenkloster zu S. Gallen,
das Zisterzienserinnenkloster Liliental in Tänikon
nennenswert. Sehr bedeutende Bauwerke hat dann noch
das 18. Jahrhundert in der neuen Stiftskirche zu S. Gal-
len, der gewaltigen Schöpfung des Peter Thumb und des
Johann Michael Beer, in dem Augustinerchorherrnstift
zu Kreuzlingen und dem Dominikanerinnenkloster
S. Katharinental hervorgebracht.
Man darf dem Unternehmen Gaudys guten Fort-
gang wünschen. Vielleicht läßt sich der Herausgeber
künftig in Zweifelsfällen von Kunsthistorikern beraten,
um Mängel der oben gerügten Art zu vermeiden. Auf
jeden Fall wird, wer sich mit schweizerischer Kunst-
geschichte befaßt, auf Jahre hinaus zu diesen Bänden
greifen müssen, deren schönes Abbildungsmaterial auch
dem Nichtfachmann reinen Genuß bereitet.
Wilhelm Wagner
Aus der
Amsterdam-Mappe
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