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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Aprilheft
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Der Kampf um des Asiatische Museum in Berlin-Dahlem / Wiener Kunstleben / Londoner Kuntschau / Zu Zeichnungen von Aristide Maillol / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Rheinischer Kunstbrief / Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0310

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seinc Museumspolitik von ihr bedroht glaubte. In der Fach-
literatur fiir oder gegen Becker Stellung zu nehmen, lag fiir den,
der die Arbeiten unseres angesenensten Islamhistorikers kennt,
utn so weniger Anlaß vor, als gerade er in anderem Zusammen-
hange die fortschreitende Asiatisierung der spätantiken und isla-
mischen Welt, die allmähliche Verlegung des kulturellen Schwer-
punktes vom Mittelmeer weiter nach Osten und den Gegensatz
zwischen abendländischem und orientalischem Menschentum so
nachdriicklich betont hat, daß es bei cinigem bösen Wilien leicht
wäre, aus seinen eigenen Schriften Thesen und Antithesen ein-
ander gegenüberzustellcn. Er hat aber wohl ein Anrecht darauf,
daß man bei ihm nicht Widerspriiche sucht, wo lediglich Ergän-
zungen und Abschwächungen des an anderer Stelle üesagten
vorliegen, und daß man, ehe man ihn angreift, seiner zwar stark
subjektiven, aber keineswegs einseitigen Gesamtauffassung
gerecht wird.
Im übrigen ist von denjenigen, die sich mit den Problemen
westöstlicher Kunstströmung beschäftigen und unaufhörlich neue
Beweise für die schrankenlose Wanderung von Formen und Tech-
niken erhalten, kaum zu erwarten, daß sie sich an rein akade-
mischen Grenzstreiten wie dem oben angeregten noch ernstlich
beteiligen. Auf unserem Forschungsgebiet, das vielleicht be-
stimmt ist, hierin anderen Diszplinen die Wcge zu weisen, kann
sachlich die Theorie von der Zweiheit der Kontinente überhaupt
nicht mehr aufrecht erhalten werden. Denn statt daß jeder sein
Asien da beginnen läßt, wo es ihm paßt — der eine am Mittel-
meer, der andere in Persien, der dritte in Indien und der vierte
auch da noch nicht — findet man sich schon lieber gleich mit
Strzygowski’s „Eurasien“ ab und operiert im übrigen weiter mit
den beiden Erdteilen als landläufigen geograpnischen Begriffen,
Sie werden verstehen, daß von solchen Gesichtspunkten aus
jede Erörterung der „Zugehörigkeit“ der islamischen Kunst zu
diesem oder jenem weiteren Kulturkomplex müßig erscheinen muß.
Ihre Erzeugnisse sind selbständig und eigenartig genug, um bei
würdiger und geschlossener Aufstellung in jedem größeren Rah-
men ihre Wirkung zu tun und sich sowohl in asiatischer wie in
europäischer Nachbarschaft zu behaupten. In diesem Sinne ist
denn auch die Erfüllung der Forderung nach einer zweckmäßigen
Unterbringung unserer Islamischen Abtcilung in Berlin nicht von
fachwissenschaftlichen Theoricn, sondern von den Möglichkeiten
praktischcr Museumspolitik abhängig. Auf diese Feststellung kam
es mir hier im wesentlichen an. Ein Eingehen auf die vorliegen-
den technischen Probleme verbietet sich für mich von seibst;
soviel aber darf ich wohl sagen, daß bei der ministeriellen Ent-
scheidung iiber das Dahlemer -Projekt denn doch andere
Faktoren den Ausschlag gaben, als C. H. Becker's persönliche
wissenschaftliche Einstellung, die ihm übrigens durchaus gestatteb
den Bode’schen Plänen gerecht zu werden.
Ihnen, Herr Prof. Biermann, biieb es vorbehalten, neben ande-
ren kühiien Behaupumgen aucli noch die aufzustellen, daß die Aus-
fiihrung des Asiatischen Museums für W. v. Bode „eine sichere
Blamage“ geworden wäre. Das glauben Sie im Ernst doch wohl
seibst nicht. Oder haben auch Sie sich blamiert, als Sie die islami-
sche Kunst in Ihr „Asiatisches Jahrbuch“ aufnahmen, statt sie in
konsequenter Anwendung der „Becker’schen These“ Ihrer euro-
päisch-mediterranen Schwesterpublikation einzuverleiben?
Mit ergebenster Empfehlung
E r n s t K ii h n e I.
Inzwischen sandte Professor Dr. Friedrich Sarre, der
Leiter der Islamischen Abteilung des Kaiser-Friedrich-Museums,
an Herrn Professor Biermann eine B e r i c h t i g u n g. Sarre
schreibt darin: „Die großzügigen Bodeschen Museumspläne ein-
schließlich eines Museums fiir asiatische Kunst habe ich s. Z. mit
Freude begrüßt, da in letzterem eine räumlich ausreichende und
würdige Aufstellung der Islamischen Abteilung und ihres Iiaupt-
stiickes, der Fassade von Mschatta, vorgesehen war. Ebenso wie
die anderen bcteiligten Abteilungsleiter habe ich an den Vorar-
beiten fiir die weitere Ausgestaltung dieses Museums zusammen
mit Exzellenz v. Bodc, dem damaligen Generaldirektor (und bis
heute unermüdlichen Förderer der mir untersteilten Abteilung),

bis zu dem Zeitpunkte teilgenonnnen, wo mir eine Aufsteliung der-
selben in dem infolge des Krieges nach und nach veränderten und
verkümmerten Dahlemer Bau nicht mehr möglich erschien. Ich
bin seitdem stets fiir den Gedanken eingetreten, die Abteilung an
ihrem jetzigen provisorischen Platze im Kaiser-Friedrich-Museum
so lange zu belassen, bis entweder das gepiante Dahlemer Museum
in seiner ursprünglich vorgesehenen Gestalt, ohne Verkiirzungen in
Raum und ohne Ersparnisse in der inneren Einrichtung, doch noch
einmal ausgeführt oder aber anderswo ein geeigneter Piatz bereit-
gestellt würde.“
Diese Worte Sarres bilden den Kernpunkt seiner Berich-
tigung und decken sich mit der im „Kunstwanderer“ ausgesproche-
nen Behauptung, daß Proffessor Sarre den alten Pian Bodes gut
geheißen hat und sich nicht im geringsten „mit Händen und Füßen
gegen die“, wie Biermann sich ausdrückte, „von Bode beliebte
Unterstellung wehrt, daß etwa seine islamische Abteilung logisch
ein Bcstandteil des Asiatischen Museums in Dahlem sein müsse“.
Mit der Sache Sarre ist aiso das Biermannsche Kartenhaus wirk-
lich zusammengefallen.
*
Und noch eins: der „Kunstwanderer“ hat sich mit den Be-
merkungen Biermanns zum Bau des Deutschen Museums
nicht näher beschäftigt, um den „Museumskrieg“ nicht noch zu
verlängern. Eine Frage aber möchten wir uns heute erlauben. So-
viel uns bekannt ist, hat B o d e , nachdem die 350 000 G o 1 d -
m a r k , der Erlös seiner zugunsten des Asiatischen Museums bei
Lepke verkauften Privatbibliothek, vom Ministerium a b -
g e i e h n t worden und so in der Papiermarksintflut untergegangen
sind, die ihm von seinen Verehrern anläßlich seines 50 jährigen
Dienstjubiläums gestiftete sehr respektable Summe dem
M i n i s t e r i u m zu dem Zwecke zur Verfügung gestellt, daß der
Bau des Deutschen Museurns gefördert und beschleu-
n i g t werde. Der Minister sagte auch zu. Doch der Bau stockt
und stockt. Darum eben erlauben wir uns die Frage, was eigent-
lich weiterhin geschehen wird.
Sympatbie = Kundgcbung
dev Kun(t^cicbicbtlicbßn Qcfcllfcbaft füt? Bodc.
Nun ist auch die Kunstgeschichtliche Gesell-
s c h a f t in Berlin fiir Bode eingetreten. Die Kunstgeschichtliche
Geselischaft hat in ihrer Sitzung vom 3. April einstimmig
eine Sympathie-Kundgebung für W i 1 h e 1 m v. B o d e
beschlossen, indem sie gleichzeitig gegen die unerhörten Angriife
Biermanns gegeniiber Bode nachdrücklich protestiert, Diese Kund-
gebung hat folgenden W o r 11 a u t :
„Die dauernde öffentliche Verunglimpfung Eurer Exzellenz
durch den Herausgeber des „Cicerone“, Georg Biermann, ins-
besondere die bewußte Herabsetzung Ihrer Persönlichkeit, Ihrer
Lcistungen und Ihrer Motive anläßiich der Erörterung Ihrer
Museumspläne im Februarheft des „Cicerone“, veranlaßt die
Berliner Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu erklären: In
diesem Falle wie in Ihrer gesamten Wirksamkeit sind die
Schritte E. E. nach unserer Ueberzeugung einzig und allein von
dem Bestreben bestimmt worden, dem Fortschritt unserer
Museen und unserer Wissenschaft zu dienen. Sie verfechten.die
Pläne, die Sie als Krönung Ihres Lebenswerkes für den weite-
ren Ausbau der Berliner Museen aufgestellt und teilweise der
Verwirklichung näher gebracht haben, nicht, wie Ihnen der
fragiiche Aufsatz vorwirft, aus persönlichen Gründen, sondern
nur im Interesse der Sache. Auf die umstrittenen Fragen selbst
einzugehen, ist nicht unseres Amtes. Aber daß Sie in Ihrem
hohen Alter mit jugendlichem Feuer und unter Einsetzung Ihrer
Person fiir Ihre und unsere geme'insame Sache eintreten, ge-
rade dics sichert Ihnen das Vcrtrauen von uns äiteren und
jüngeren Vertretern und Freunden der deutschen Kunstwissen-
schaft. Die Zeit ist nicht iiber Sie hinweggegangen, Ilire Lei-
stung liegt nicht hinter uns, wie der Aufsatz der Oeffentlich-
keit glauben machen will. Im Gegenteil! Sie und das von
Ihnen Geschaffene sind uns im Augenblick lebendiger und wert-

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