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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Aprilheft
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Der Kampf um des Asiatische Museum in Berlin-Dahlem / Wiener Kunstleben / Londoner Kuntschau / Zu Zeichnungen von Aristide Maillol / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Rheinischer Kunstbrief / Neue Kunstbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0312

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vom Jahre 1638 betitelt „The Sost Lady“, die einen der ersten
Gouvernenre des Staates Virginien Sir William Berkeley zum
Verfasser hat. Außerdem kaufte Rosenbach Croke’s „Fortunes
Uncertainty“ vom Jahre 1667 (Pf. 121) und Maggs Bodenhams
„Wits Theater of the Sittle World“ vom Jahre 1599.
Am folgenden Tage nahm Dr. Rosenbach einen der größten
Schätze der bibliophilen Welt an sicli, die im Jahre 1594 erschie-
nene Travestre von Shakespeare’s „Venus und Adonis“,
das unter den Buchstaben T. H. erschienene Gedicht „Osnone and
Paris“. Nach heftigem Kanipfe behielt der Amerikaner mit
3800 Pf. für die wenigen Oktavblätter in grauem Umschlag die
Oberhand. Da das Titelblatt fehlt, hatte man die alten Drucker-
archive durchsuchen miissen, um das genaue Erscheinungsdatum,
Mai 17, 1594, festzusteilen. Dr. Rosenbach, selbst ein Gelehrter
in Dingeii des elisabethanischen Zeitalters, will nach seiner Riick-
kehr, zusammen mit anderen Experten, versuchen, die Autor-
schaft festzustellen, die man Thornas Heywood zuspricht. Auch
Sir John Haywards „Sanctuarie of a Troubled Soule“, 1601, ging
u.m 350 Pf. an den Amerikaner. Uebrigens erzählt er, daß er
kiirzlich in Paris bei einem Antiquar eine Ausgabe von Lovelaces
„Lucaeta“, im Jahre 1649 in London gedruckt, fiir f ii n f Francs
erstanden hat. Das Biichlein ist gut seine zehntausend Goldmark
wert!
Derkauf beüübmtet’ jvteiftev nacb Amßfika.
L o n d o n , den 30. März.
Zwei weitere Meisterwerke sind riach den Vereinigten
Staaten verkauft worden und zwar an den Millionär Joseph
Widener in Philadelphia; nämlich Tizians „Venus und
Adonis“ aus der Sammlung des englischen Lord Spencer und
R e n o i r s ,.La Danseuse“, friiher im Besitz des verstorbenen
Pariser Sammlers Durand-Ruel. Der Preis wird weder von Herrn
Widener noch von den europäischen Verkäufern bekanntgege-
ben, doch veranschlagt man den Tizian mit einer halben Million
Goldmark in Kennerkreisen. In der Widener Kollektion, einer
der beriihmtesten der Welt, befinden sich bereits zwei Tizians,
nämlich die Bildnisse von Irene und Emilia di Spilemberger, von
denen die erstere eine Schiilerin des großen Meisters selbst ge-
wesen ist. Der Spencer’sche Tizian ähnelt dem in dem Besitze
des Lords Darnley, der am 1. Mai versteigert wird insofern, als
der Gott Amor hier wachend erscheint, während in dcr Londoner
National Gallerie, der Torlonia Gallerie und im Prado Kupido
immer schlafend gemalt ist.
Bilder aus der Spencer’schen Sammlung, die kiirzlich Eng-
land verlassen haben, sind Frans Hals’ Portrait eines sitzen-
den Mannes, Van D y c k s „Daedalus und Ikarus“, G a i n s -
boroughs „Georgina, Herzogin von Devonshire“, R e y n o 1 d s
Bildnis der gleichen berühmten Herzogin sowie Reynolds
Lady Camden und Lavinia Gräfin Spencer.
Bu Eeicbnutigen üon ArtffidefvlaUloL
Sammlung fiaüpy Qt?af Kc(T(ßü, Bßü(m.
Es gibt Zeichnungen von Maillol, bei denen er es fast ver-
meidet, Umriß zu geben. Er fühlt dann den umftihlten Körper
aus der weißen Fläche heraus.
Dann wieder formt er den Umriß in aller Strenge.
Dort ist’s der Körper, dessen Schönheit er zu fassen
sucht, hier ist’s Schönheit, der er K ö r p e r verleiht.
*
Bei Maillol ist „Umriß“ stets ein Umgreifen, Umfühlen, Um-
fassen des Körperhaften, leisestes Augengleiten am Körper, um
ihn herum. So ist bei ihm Z e i c h n e n meist ein Hinfiihlen
des Geschauten, Erfiihlten, Ertasteten aufs Papier. Umriß ist ihm
nie Grenze, Ende, Abschluß. Ihm fließen Linienströme um den
Körper, vom Körper zu, die er aufnimmt und wiedergibt. Auge
und Hand sind eins, sie leisten gemeinsam Arbeit, sie
fiihlen d a s s e 1 b e nach, formen g 1 e i c h z e i t i g odcr in gc-
ringster Zeitfolge.

So wird jede Zeichnung aus Lebendigkeit geboren und
gestaltet. Sie lebt, ist bliihender, atmender Körper.
Körper! — Das ist der Plastiker, der ihn formt.
*
Wenn er Umriß im engeren Sinne gibt, Linie, dann schreibt
er ihn hin. Er schreibt und umschreibt eine Figur in einfachem
Linienschluß, den Hals, die Schultern, die Brüste, — in feinem
Heben und Senken formt sich ihm die Schönheit des Körpers
zum Rhythmus.
Die Formung des Körpers, seine Gliederung, Lagerung, das
Gewand, das im Rhythmus der Linie hinzufließt, — das alles ist
eins. Aus Einheit geboren, im Rhythmus erfiihlt, zu rhythmischer
Einheit gestaltet.
Rhythmus! — Das ist der Franzose, der ihn zeugt.


Moses und die Propheten vom Portico de la Gloria in Santiago.
Aus: A. Kuhn „Das alte Spanien“. Verlag Neufeld & Henius, Berlin

Der Einzelfall M o d e 11 ist selten bei Maillol zu finden.
Wenn wir aber Modell in seinen Zeichnungen erkennen, dann ist
dieses Persönliche, Einzelne in unendlicher Zartheit und traum-
feiner Sicherheit gegeben. Es sind fast nur Frauenakte, die diese
Ausstellung zeigt. Aber eine Jünglingsgestalt hebt dort und
dicht daneben ein Mädchenakt, unsagbar keusch gefiinlt, urver-
wandt als Mensch, Kind, Reinheit.
Da ze.igt sich das Persönliche, Einzelne des Modells, in
unendlicher Zartheit und traumfeiner Sicherheit gegeben. Ein
paar leiseste Striche, ein paar Wischtöne nur, atmender, blühen-
der Körper, weicher, feiner, siißer Duft, hauchzarte schimmernde
Flächen.
*
Fast stets geht Maillol über das Einzelne des Modells hin-
aus. Er ist inwendig voller Figur, gesättigt in Form. Aus dieser
Sättigung heraus tritt er auf das Modell zu. Das Modell klärt
ihm, was in ihm bereits zur Klärung drängt. Das Modell ist ihm
nicht selbständiges Objekt. Er verliert sicli nicht am und im
Objekt. Er niitzt es und es niitzt ihm, aber es beherrscht ihn
nicht.

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