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Donath, Adolph [Editor]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Maiheft
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Martin, Wilhelm: Russische Kunstschätze, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0344

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Swanof (1806—1858), den man am besten in Moskau
kennen lernt, befinden sich hier viele ausgezeichnete
Studien in Oelfarbe, von denen die Landschaften am
schönsten sind. Außerdem findet man hier noch Werke
von Repin (geb. 1844), Siemiradski (1843—1905), Suri-
koff (geb. 1848), jene durch zahllose Reproduktionen
weltbekannte große Kompositionen, tüchtige, voll Lifer
und Talent gemalte Schöpfungen, die auf uns jedoch
keinen tiefen Eindruck mehr inachen können.
Im Allgemeinen kann man sagen, daß man die
Kunst des 19. und 20. Jahrhundert, sowohl die russi-
sche als die ausländische, hier lange nicht so gut kennen
lernen kann als in Moskau, denn man findet dort eine
weit größere Anzahl moderner Kunstwerke. Am
Scliluß dieser Abhandlung wird noch davon die Rede
sein.
Ehe wir die Moskauer Kunstschätze besprechen,
noch ein kurzes Wrort über die kaiserlichen Paläste.
Dieselben sind jetzt alle Staatseigentum und als
historische Museen dem Publikum geöffnet. Besonders
die in der Umgegend von Leningrad gelegenen
Schlösser mit ihren herrlichen, gut gepflegten Parkan-
iagen werden hauptsächlich Sonnabends und Sonntags
stark besucht. Ich besichtigte Gatschina, Pawlowsk
und die beiden Schlösser in Tsarskoje Selo, wo man mir
sogar erlaubte, mich in den dem Publikum nicht zu-
gänglichen Teilen des von der unglücklichen letzten
Zarenfamilie bewolmten Palastes umzusehen.
Hier sowohl wie in allen anderen Palästen befindet
sich nicht nur alles in gutem Zustand, sondern man hat
sogar, soweit die kargen Geldmittel es gestatteten,
restauriert und organisiert. So sah ich, wie man an
einem der großen Gebäude im Park von Tsarskoje Selo
eine große Louis Quinze-Kartouche, die durch Ein-
wässern gelitten hatte, restaurierte.
An der Spitze einer jeden Palastgruppe steht ein
Konservator, meistens ein Architekt. Jeder dieser
Konservatoren ist bemüht, das Beste von dem ihm An-
vertrauten auszustellen. So hat z. B. der Konservator
des Palastes in Pawlovcsk im zweiten Stock in einer
fast endlosen Reihe von Zimmern mit viel Geschmack
ein Porzellanmuseum eingerichtet.
An Gemälden befindet sich in Pawlowsk nicht viel
von Bedeutung. Der kleine Christus von Rembrandt
ist eine Enttäuschung: das Exemplar, das Dr. Bredius
besitzt, ist unendlich viel zarter gemalt und tiefer em-
pfunden. Das beste Gemälde hier ist eine besonders

schöne kleine Flußlandschaft von Cuyp, iu der Art der-
jenigen des Berlinel Museums. Einen unglaublich
großen Vorrat an Gemälden birgt das Schloß zu Gat-
schina; auch die auf das Sorgfältigste gepflegten Park-
anlagen und Gebäude machen einen Besuch lohnend.
Nach den Gefechten von Kerinskys Flucht aus diesem
Schloß ist alles wieder glänzend in Ordnung gebracnt
worden. Man kann die Serie prächtiger Tapisserien
von Cozet aus dem Jahre 1776, mit Szenen aus der Ge-
schichte des Don Quichotte, nun wieder vollständig
genießen. Auch in das Arrangement der Gemäldesäle
kommt wieder mehr Systern. Es sind viele Kuriosa
darunter und auch einzelne ausgezeichnete Werke. So
entpuppte sich z. B. ein als „unbekannt“ eingeschrie-
benes Portrait eines Fähnrichs als eine Arbeit von Tho-
mas des Keyser. Auf einer Tür im Hintergrund des
Bildes sah ich deutlich das Mongramm TDK. Auf der
Tür steht das Wappen von Amsterdam und an der
Rückseite der Holztafel steht in alter Schrift: „Loef,
Vredericx, zoon van V. J. ist geworden 1626 den 15.
Augusti“. Das beweist, daß dies das Portrait des im
Jahre 1626 zum Fähnrich ernannten Loef Fredericksz
istP)
Es war das Lieblingsbild des Zaren Paul I. (1796-—
1801), das ihn auf seinen Reisen stets begleitete. Es ist
zweifellos eins der besten Werke des Meisters.
Beim Durchschreiten der Säie fällt auf, wie auch
hier wieder Hubert Robert vertreten ist. Ferner findet
man zahlreiche Werke des Italieners Pietro Rotari
(1707—1762). IJieser in Rußland sehr beliebte Maler
hat sicli besonders darauf verlegt, junge Mädchen als
Typen der verschiedenen in Rußland lebenden Rassen
darzustellen. Hier in Gatschina befinden sich zwanzig
Mädchen und vier Männerportraits. Im Palast Peter-
hof hängen bekanntlich nicht weniger als 328, die Ka-
tharia li. von ihm kaufte!
Unter den Gemälden, die einstweilen noch in Gat-
schina iin Depot aufbewahrt werden, befindet sicli ein
selir schöner früher WT. v. d. Velde jr. (ruhige See) und
ein ganz unbekanntes kleines Bild von Adriaen Brou-
wer aus seiner frühesten Zeit, ein Quacksalber, sehr
bezeichnend für den Meister. Man sieht es: an Ueber-
raschungen hat es bei dieser Reorganisation nicht
gefehlt. (Schluß folgt.)

*) Prof. Six in Amsterdam war so freundlich mir mitzuteilen,
aaß dieser Loef im Jahre 1646 (aber noch nicht 1638), Leutenant
war und vom Jahre 1650 an bis zu seinem Tod Hauptmann.

Rembrandt
Der Kanal
B. 221
R. 221, II


Gutekunst und Klipstein
Bern

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