Vorwürfe beliebt sind. Eigenartig und stark sind vor-
nehmlich Müllers Tierbilder; davou hervorzuheben ein
Zyklus von Schweinen. Die selbständige und eindring-
liche Beobachtung des Tieres unterstützt der Kiinstler
durch eine gewandte Beherrschung der Radiertechnik.
Hier, wie auch in einzelnen Landschaften „Waldgegend
mit Herde“ und „Räuberhöhle im Mondschein“, wird
seine Technik unabhängig von konventioneller Zeit-
mode. Miiller sucht mit Raffinesse — in freier leben-
diger Abhandlung — der Radierkunst farbige Stim-
mungswerte abzugewinnen, die in feinen Abstufungen
nicht ohne Reiz sind. Selbstverständlich macht auch
Miiller die malerische Begabung seiner dichterischen
nutzbar. Er illustriert seine Schriften mit Titelblättern
und reizenden Vignetten, charakteristisch durch die
geistigen Absichten der verschiedenen Vorwiirfe. Da
erscheinen wieder Faune — wie etwa das Bildchen zu
„Bacchidon und Milon“ — die in dieser Gestaltung an
Böcklin erinnern. Sie unterscheiden sich von der
graziösen französischen Geste durch eine viel derbere
Auffassung. Denn wie in seinen antikisierenden Dich-
tungen bereits das urwüchsige, natürliche Empfinden
Miillers durchbricht, erfüllt er auch diese gekünstelte
Schemen gewordenen mythologischen Gestalten mit
lebensfähigem Atem. Bemerkenswert sein Titelbild zur
„Schafschur“, in dieser Form ebenso aggressives Pro-
gramm wie der Inhalt dieser für die deutsche Literatur
außergewöhnlichen Dichtung. Das Titelblatt zu „Situa-
tionen aus Faust“ ist ein radiertechnisches Meisterwerk.
Von Christian Mannlich war Maler Miiller nach
Mannheim zu Peter von Verschaffelt geschickt worden.
Im historisch beriihmten Mannheimer Antikenkabinett
kam zu den mancherlei Anregungen der Kreuznacher
und Zweibriicker Zeit, zu denen auch schon die Be-
kanntschaft mit Diirers Schöpfungen (durch die Retro-
spektive des Sturm und Drangs nach dem Mittelalter)
gehörte, das Erlebnis der antiken Bildwerke und der
Kunst Michelangelos. Seine Operndichtung „Niobe“,
das klassizistische Titelblatt hierzu, ist der erste Aus-
druck seines neugewonnenen Gesichtskreises. Seine
Begeisterung fiir Michelangelo sollten Studien vertie-
fen, die er mit finanzieller Hilfe des Kurfürsten Carl
Theodor von der Pfalz und Goethes in Rom beginnen
konnte. 1778 verließ er die Heimat, kiihner Hoffnun-
gen voll, ahnungslos, daß es der endgiiltige Abschied
war, den er von der Heimat nahm.
In Rom fand er keineswegs eine erfreuliche kiinst-
lerische Atmosphäre unter den deutschen Kollegen vor.
Keiner der zahlreichen Kunsthandwerker überragte
irgendwie ein belangloses Durchschnitts-Niveau. Sie
waren kleinlich, gehässig, ungebildet, was den an den
Verkehr mit dem geistigen Deutschland gewöhnten
Müller (er war auch ein Frennd Klopsiocks, Fessings,
Gemmingens) peinlich berühren mußte. Doch zeich-
neten andererseits bald angesehenste Künstler (Raphael
Mengs, der sehr zurückhaltende Battoni) seine Bega-
bung aus. Ueberwältigt von den gewaltigen Kunst-
schöpfungen der ewigen Stadt bewegte sich Müllers
künstlerische Arubeit bald in kühnen Entwürfen, deren
Mittelpunkt neben antiken Motiven ein — mit seinen
patriarchalischen Idyllen geistig verbundener — Zyklus
aus dem Leben des Moses darstellte. Leider sind diese,
wie alle seine großen römischen Entwürfe, verschollen.
Bei ihrer Größe und auffallenden Eigenart ist nur
schwerlich anzunehmen, daß sie in größerer Zahl etwa
noch erhalten sind. So ist man in bezug auf diese Bil-
der von den Nachrichten der Zeitgenossen und kriti-
schen Unterlagen abhängig. Aus ihnen hört man von
einem „Triumph der Flora“ (als erstes großes Gemälde
in Rom sehr erfolgreich), von einem Jason, von einem
Aesop als Fabelerzähler und einem Bild, das die Hölle
darstellt. Gerade letzteres wird als sehr eindrucks-
voll geschildert. Müller, der ob seiner Vorliebe zur
Darstellung von Teufeln den Beinamen „Teufelsmüller“
erhielt, hat diese Anregung zur Teufelsmalerei wohl aus
Johann Friedrich Miiller, Idyll
seiner intimen Kenntnis von Dantes Inferno erhalten,
wiewohl dieses Thema bei einigen der römischen
Künstler (vor ihm bei Füßli und dann bei Müllers Freund
Joseph Anton Koch) zu finden ist. In seine Alters-
periode fällt ein vielfach genanntes Bild „Odysseus in
der Unterwelt“, pastos gemalt mit fantastischer Vertei-
lung von Licht und Schatten, Merkmale Müllerscher
Eigenart, die auch schon von den anderen Gemälden er-
wähnt werden. Sonst vermögen wir noch iiber diese
römischen Arbeiten aus Nachrichten zu folgern, daß sie
stark der damaligen Konvention widersprachen, daß
sie groß in der Anlage und reich in der Fantasie waren,
alles Eigenschaften, die sich auch aus den Aeußerungen
Müllers über Kunst ais seine Absichten ausweisen. In
Rom hatte Miiller mit seinem Attersgemälde einen Auf-
seiien erregenden Frfolg, während bei Kollegen und in
der Heimat, wo besonders der „Kunschtmeyer“ sein
Gegner war, manch hartes Urteil iiber ihn gefällt wurde,
das unberechtigt bis heute sich erhalten hat. Es kommt
nicht dabei darauf an, wie etwa unsere Zeit sich zu die-
sen Bildern stellen würde, vielmehr auf die gerechte
Wertschätzung, die Miillers Mittlerstellung in der römi-
?13
nehmlich Müllers Tierbilder; davou hervorzuheben ein
Zyklus von Schweinen. Die selbständige und eindring-
liche Beobachtung des Tieres unterstützt der Kiinstler
durch eine gewandte Beherrschung der Radiertechnik.
Hier, wie auch in einzelnen Landschaften „Waldgegend
mit Herde“ und „Räuberhöhle im Mondschein“, wird
seine Technik unabhängig von konventioneller Zeit-
mode. Miiller sucht mit Raffinesse — in freier leben-
diger Abhandlung — der Radierkunst farbige Stim-
mungswerte abzugewinnen, die in feinen Abstufungen
nicht ohne Reiz sind. Selbstverständlich macht auch
Miiller die malerische Begabung seiner dichterischen
nutzbar. Er illustriert seine Schriften mit Titelblättern
und reizenden Vignetten, charakteristisch durch die
geistigen Absichten der verschiedenen Vorwiirfe. Da
erscheinen wieder Faune — wie etwa das Bildchen zu
„Bacchidon und Milon“ — die in dieser Gestaltung an
Böcklin erinnern. Sie unterscheiden sich von der
graziösen französischen Geste durch eine viel derbere
Auffassung. Denn wie in seinen antikisierenden Dich-
tungen bereits das urwüchsige, natürliche Empfinden
Miillers durchbricht, erfüllt er auch diese gekünstelte
Schemen gewordenen mythologischen Gestalten mit
lebensfähigem Atem. Bemerkenswert sein Titelbild zur
„Schafschur“, in dieser Form ebenso aggressives Pro-
gramm wie der Inhalt dieser für die deutsche Literatur
außergewöhnlichen Dichtung. Das Titelblatt zu „Situa-
tionen aus Faust“ ist ein radiertechnisches Meisterwerk.
Von Christian Mannlich war Maler Miiller nach
Mannheim zu Peter von Verschaffelt geschickt worden.
Im historisch beriihmten Mannheimer Antikenkabinett
kam zu den mancherlei Anregungen der Kreuznacher
und Zweibriicker Zeit, zu denen auch schon die Be-
kanntschaft mit Diirers Schöpfungen (durch die Retro-
spektive des Sturm und Drangs nach dem Mittelalter)
gehörte, das Erlebnis der antiken Bildwerke und der
Kunst Michelangelos. Seine Operndichtung „Niobe“,
das klassizistische Titelblatt hierzu, ist der erste Aus-
druck seines neugewonnenen Gesichtskreises. Seine
Begeisterung fiir Michelangelo sollten Studien vertie-
fen, die er mit finanzieller Hilfe des Kurfürsten Carl
Theodor von der Pfalz und Goethes in Rom beginnen
konnte. 1778 verließ er die Heimat, kiihner Hoffnun-
gen voll, ahnungslos, daß es der endgiiltige Abschied
war, den er von der Heimat nahm.
In Rom fand er keineswegs eine erfreuliche kiinst-
lerische Atmosphäre unter den deutschen Kollegen vor.
Keiner der zahlreichen Kunsthandwerker überragte
irgendwie ein belangloses Durchschnitts-Niveau. Sie
waren kleinlich, gehässig, ungebildet, was den an den
Verkehr mit dem geistigen Deutschland gewöhnten
Müller (er war auch ein Frennd Klopsiocks, Fessings,
Gemmingens) peinlich berühren mußte. Doch zeich-
neten andererseits bald angesehenste Künstler (Raphael
Mengs, der sehr zurückhaltende Battoni) seine Bega-
bung aus. Ueberwältigt von den gewaltigen Kunst-
schöpfungen der ewigen Stadt bewegte sich Müllers
künstlerische Arubeit bald in kühnen Entwürfen, deren
Mittelpunkt neben antiken Motiven ein — mit seinen
patriarchalischen Idyllen geistig verbundener — Zyklus
aus dem Leben des Moses darstellte. Leider sind diese,
wie alle seine großen römischen Entwürfe, verschollen.
Bei ihrer Größe und auffallenden Eigenart ist nur
schwerlich anzunehmen, daß sie in größerer Zahl etwa
noch erhalten sind. So ist man in bezug auf diese Bil-
der von den Nachrichten der Zeitgenossen und kriti-
schen Unterlagen abhängig. Aus ihnen hört man von
einem „Triumph der Flora“ (als erstes großes Gemälde
in Rom sehr erfolgreich), von einem Jason, von einem
Aesop als Fabelerzähler und einem Bild, das die Hölle
darstellt. Gerade letzteres wird als sehr eindrucks-
voll geschildert. Müller, der ob seiner Vorliebe zur
Darstellung von Teufeln den Beinamen „Teufelsmüller“
erhielt, hat diese Anregung zur Teufelsmalerei wohl aus
Johann Friedrich Miiller, Idyll
seiner intimen Kenntnis von Dantes Inferno erhalten,
wiewohl dieses Thema bei einigen der römischen
Künstler (vor ihm bei Füßli und dann bei Müllers Freund
Joseph Anton Koch) zu finden ist. In seine Alters-
periode fällt ein vielfach genanntes Bild „Odysseus in
der Unterwelt“, pastos gemalt mit fantastischer Vertei-
lung von Licht und Schatten, Merkmale Müllerscher
Eigenart, die auch schon von den anderen Gemälden er-
wähnt werden. Sonst vermögen wir noch iiber diese
römischen Arbeiten aus Nachrichten zu folgern, daß sie
stark der damaligen Konvention widersprachen, daß
sie groß in der Anlage und reich in der Fantasie waren,
alles Eigenschaften, die sich auch aus den Aeußerungen
Müllers über Kunst ais seine Absichten ausweisen. In
Rom hatte Miiller mit seinem Attersgemälde einen Auf-
seiien erregenden Frfolg, während bei Kollegen und in
der Heimat, wo besonders der „Kunschtmeyer“ sein
Gegner war, manch hartes Urteil iiber ihn gefällt wurde,
das unberechtigt bis heute sich erhalten hat. Es kommt
nicht dabei darauf an, wie etwa unsere Zeit sich zu die-
sen Bildern stellen würde, vielmehr auf die gerechte
Wertschätzung, die Miillers Mittlerstellung in der römi-
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