Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen
— 6./7.1924/25
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0356
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DOI Artikel:Oeser, Willy: Maler Müller: zum hundertsten Todestag
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schen Kunstentwicklung seiner Zeit zukommt. Erhal-
ten ist aus seiner römischen Arbeitsperiode neben zwei
unwesentlichen Oelbildern ,,Ecco homo“ und „Hymen
mit der Fackel“ ein Aquarell „Adam und Eva“ im Mün-
chener Kupferstichkabinett) und eine Tuschzeichnung
„Der Tod Agamemnons“ (im Freien deutschen Hoch-
stift in Frankfurt a. M.). Das Aquarell ist für die Farbe
Müllers bemerkenswert. Sie ist gesättigt und vertieft,
nicht ohne spezifisch koloristische Werte, die zweifel-
los auch bei seinen größeren Bildern vorhanden gewe-
sen sein müssen, da sie dem für sie (als einem der
wenigen von Müllers Zeitgenossen) empfindsamen
Ardhingello-Heinse ein Lob abrangen. Die Tuschzeich-
nung ist — geistig auf Mtillers Iphigeniedrama bezo-
gen— wie ein Bühnenbild aufgezogen. Sie erscheint
wie eine Aufnahme einer vom Regisseur ausgezeichnet
im Gestaltenrhythmus gestellten Szene. In der Be-
handlung der klassischen Stoffe hat Müller nie seine
Stammesgewachsenheit geleugnet. So mischt er auch
hier germanische und griechische Wesenselemente
tnerkwürdig untereinander. Am besten gelungen ist
der in der Wanne hingestreckte Leichnam des Aga-
memnon, in seiner muskulösen Durchbildung ein Zeug-
nis dafiir, daß Müller seine Gefolgschaft Michelangelos
bis ins Alter hinein bewahrt hat, während seine Zeit-
genossen sich bereits wieder Rafael und dessen un-
mittelbaren Vorgängern zuneigten.
In finanzieller Not, die durch das Ausbleiben seiner
Pensionen und andere Mißgeschicke seine künstlerische
Arbeit oft völlig unterband, wandte er sich auch kunst-
geschichtlichen Studien zu, unter denen er mit seiner
guten Besprechung von Bossis Buch über das Abend-
mahl des Leonardo da Vinci durchdrang. Die Schrift
erschien im Sonderdruck. Das Urteil Goethes über sie
hat ihr einen Namen erhalten. Die Achtung, die sich
Maler Müller zu erwerben wußte, erreichte ihren äuße-
ren Ausdruck in seiner Freundschaft mit zahlreichen
hervorragenden Persönlichkeiten, zu denen neben Graf
Ingenheim auch der Bayernkönig Ludwig I. gehörte,
der ihm in Andrea delle Fratte, wo er neben Schadow
und Angelika Kaufmann ruht, einen Denkstein setzen
ließ.
Fri'.z von Uhde, 1893. Die Soldaten wiirfeln um Christi Rock.
Sanunlung L. bei Rudolph Lepke, Berlin
314
ten ist aus seiner römischen Arbeitsperiode neben zwei
unwesentlichen Oelbildern ,,Ecco homo“ und „Hymen
mit der Fackel“ ein Aquarell „Adam und Eva“ im Mün-
chener Kupferstichkabinett) und eine Tuschzeichnung
„Der Tod Agamemnons“ (im Freien deutschen Hoch-
stift in Frankfurt a. M.). Das Aquarell ist für die Farbe
Müllers bemerkenswert. Sie ist gesättigt und vertieft,
nicht ohne spezifisch koloristische Werte, die zweifel-
los auch bei seinen größeren Bildern vorhanden gewe-
sen sein müssen, da sie dem für sie (als einem der
wenigen von Müllers Zeitgenossen) empfindsamen
Ardhingello-Heinse ein Lob abrangen. Die Tuschzeich-
nung ist — geistig auf Mtillers Iphigeniedrama bezo-
gen— wie ein Bühnenbild aufgezogen. Sie erscheint
wie eine Aufnahme einer vom Regisseur ausgezeichnet
im Gestaltenrhythmus gestellten Szene. In der Be-
handlung der klassischen Stoffe hat Müller nie seine
Stammesgewachsenheit geleugnet. So mischt er auch
hier germanische und griechische Wesenselemente
tnerkwürdig untereinander. Am besten gelungen ist
der in der Wanne hingestreckte Leichnam des Aga-
memnon, in seiner muskulösen Durchbildung ein Zeug-
nis dafiir, daß Müller seine Gefolgschaft Michelangelos
bis ins Alter hinein bewahrt hat, während seine Zeit-
genossen sich bereits wieder Rafael und dessen un-
mittelbaren Vorgängern zuneigten.
In finanzieller Not, die durch das Ausbleiben seiner
Pensionen und andere Mißgeschicke seine künstlerische
Arbeit oft völlig unterband, wandte er sich auch kunst-
geschichtlichen Studien zu, unter denen er mit seiner
guten Besprechung von Bossis Buch über das Abend-
mahl des Leonardo da Vinci durchdrang. Die Schrift
erschien im Sonderdruck. Das Urteil Goethes über sie
hat ihr einen Namen erhalten. Die Achtung, die sich
Maler Müller zu erwerben wußte, erreichte ihren äuße-
ren Ausdruck in seiner Freundschaft mit zahlreichen
hervorragenden Persönlichkeiten, zu denen neben Graf
Ingenheim auch der Bayernkönig Ludwig I. gehörte,
der ihm in Andrea delle Fratte, wo er neben Schadow
und Angelika Kaufmann ruht, einen Denkstein setzen
ließ.
Fri'.z von Uhde, 1893. Die Soldaten wiirfeln um Christi Rock.
Sanunlung L. bei Rudolph Lepke, Berlin
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