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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Maiheft
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Pariser Kunstleben / Römischer Kunstbrief / Schweizerische Kunstchronik / Kunstauktionen / Aus der Museumswelt / Der Raffael der Sammlung Huldchinsky / Der gefälschte Franz Hals / Die Welt der Künstler, Gelehrten und Sammler / Kunstausstellungen / Antiken-Fälschungen im Metropolitan Museum in Newyork
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0358

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Patnfeü KunftleberL
Paris steht im Zeichen der internationalen Kunstgewerbeaus-
stellung 1925. (Exposition l’art dekorativ et l’Industrie.)
Links und rechts einer Längsachse, die sich vom Invaliden-
dom iiber den pont Alexander III. nacli der av. de Champ Elysees
hinüberzieht sind die einzelnen Pavillons gruppiert.
Kommt man von der Avenue des Champ Elysees, so sieht
man im Hintergrunde als Abschluß des Ganzen die Kuppel des
Invalidendomes, der Ausstellungsanlage eine wundervolle Folie
gebend.
Es wird fieberhaft gearbeitet, eine weiße Märchenstadt ist
erstanden (alles Gips, märchenhaft, viel Gips), in Ktirze wird
Näheres über diese Ausstellung gesagt werden können.
Det? Salon des Independants*
Wer von der vorjährigen Ausstellung des Salons der
Tuillerien das sehr primitive, im Barackenstil gebaute, aber dem
Umfang nach iinmerhin akzeptable Ausstellungsgebäude „Palais
du Bois“ an der Porte Maillot in der Erinnerung hat, folgte hoff-


Romako-Wien, Landschaft. Ausstellung Victor Hartberg, Be'rlin

nungsvoll der Einladung zur Ausstellung des Salons des Indepen-
dants. Die Einsendungen waren fiir dieses Jahr auf je zwei Bilder
pro Einsender beschränkt, jedes Bild nicht iiber 1,20 Meter breit,
ein Bild wurde unten gehängt, eins oben, das wurde strikte durch-
gefiihrt, denn dieses Jahr war Platzmangel.
Diese Beschränkung stimmte weiter hoffnungsvoll. Seit 1920
fanden die Ausstellungen des Salons des Independants im Grand
Palais statt. Die diesjährige Ausstellung ist die 36. dieses Salons.
Die erste Ausstellung fand 1884 statt mit 103 Ausstellern. 1893
waren es als höchste bisherige Zahl 312 Aussteller, 1900 sogar nur
55. 1914 war die Zahl der Einsender jedoch schon wieder auf
1320 angewachsen, während des Krieges fanden keine Aus-
stellungen des Independant statt. 1920 waren 1141 Einsender an
der Ausstellung beteiligt, um seither in fortlaufender Steigerung in
diesem Jahre mit 1891 Einsendern die nöchste bisherige Einsender-
quote zu erreichen mit rund 3500 Bildern.
Das sind interessante Entwicklungszahlen.
Das kleine „Palais du Bois“ draußen an der Peripherie des
Bois de Boulogne hatte seit vorigem Jahr erheblichen Raumzu-
wachs crhalten und hat sich zu einom der Liblichen Mammut-
ausstellungshäuser ausgewachsen, wie sie in allen größeren Welt-
städten der Schrecken der Ausstellungsbesucher sind, und die
armen Maler müssen immerzu noch mehr Bilder malen um diese
Schreckensgehäuse zu fiillen.
Wie die diesjährigen Beschränkungen der Einsendungen zei-
gen, gibt es aber noch immer nicht genug Platz die wahnsinnige
Ueberproduktion in der Kunst unterzubringen.

Auch in Paris scheint das allgemeine Interesse für die jury-
freien Veranstaltungen nachzulassen, jedenfalls haben sich die
meisten der bekanntesten Kiinstler der diesjährigen Veranstaltung
ferngehalten, um die Wahrheit zu sagen, ist es den Kiinstlern, die
ihre Arbeit wirklich ernst nehmen, einfach nicht möglich, sich an all
den allzuvielen Ausstellungsgelegenheiten zu beteiligen.
Hoffen wir, es sei der Anfang einer besseren Zukunft, im
Uebrigen aber scheint das Unheil noch weiter zu gehen.
Paul Signac ist der Präsident des „Salons des Independants“
Er ist nicht mehr der Jüngste, aber ehren wir das Alter, was nun
in diesem Falle immer leichter wird, als er nicht nur als toleranter
Kollege den Andersgesinnten wohlfeil, sondern selbst ein noch
immerhin recht respektabler Kiinstler ist.
Sein Seine-Bild ist dafiir ein guter Beweis, wenn es mir per-
sönlich aucli nicht so symphatisch ist, wie seine ganz wunder-
\ollen leichtflüssigen Aquarelle, die neulich bei Bernheim jeune
zu sehen waren.
Signäc ist noch heute Impressionist, Pointellist, das mag
gcgen ihn sprechen, das mag fiir ihn sprechen. Jedenfalls hat er
sich einer Stellungnahme durch seine Kunst den neuen Vorgängen
im Kunstgeschehen gegeniiber enthalten und ist sich in Sujets
und Technik unwandelbar treu geblieben.
Hat sich Signac als stabil erwiesen, so sei von Metzinger
bemerkt, daß er den Kubismus verlassen hat und mit seinem Zirkus-
bild zur Naturform zurückgekehrt ist (ein Nachzügler, aber im
Himmel sei eitel Freude, wo rnan sich bekanntlich über einen
rouigen Sünder mehr freut als iiber zehn Gerechte). Delaunay
hingegen ist noch immer weder Fisch noch Vogel, hat einen Janus-
kopf und zeigt Gegenständliches und Ungegenständliches.
Utrillo und seine Mutter, Susanns Valadon sind, wie imrner,
vielleicht weniger gut vertreten als man erwartet hätte.
Weiter seien von Franzosen genannt Valdo Barbey mit
scinem Militärmusik-Instrumenten-Stilleben, L’Hote mit den Freun-
dinnen, Gromaire mit seinem etwas forcierten Krieg, Charbon-
nieres sitzendes Mädchen, in Farbe und Technik in guteni Sinne
von Renoir beeinflußt, Selmersheimer, Utter, Zingg, Waroquiere,
Herbin, von dem man in Deutschland schon lange nichts mehr zu
sehen bekam, zeigt sich in seinen beiden Landschaften günstig
weiterentwickelt.
Hier, wie auch in ailen iibrigen großen Salons sind die Sla-
vcn in großer Zahl vertreten und sie zeigen sich stets als sehr
bogabte, vielleicht mehr als geschickte und nacnenmpfindende, als
s ark persönliche und selbstschöpferische Künstler, nennen wir
Ferat, Ka.rl, Kramstik, Larionow, Gontscharowa, Puni und den
sehr persönlichen Swoage.
Von anderen Ausländern seien hervorgehoben, die durch die
Jungen Kunst-Bände (Verlag Klinkhardt und Biermann, Leipzig)
in Deutschland bekannt gewordenen Othon Coubine (der Tscheche),
Moise Kisling (der Pole) und Wilheltn Schmid (der Schweizer).
Nennen wir weiter den Holländer Kikert, den Japaner Hosegaw'ä,
die Italiener Campigli und Pina.
Der Salon des Independants ist sehr populär, hat er doch
keine Jury, ein großer Teil der Aussteller sind keine Berufs-
Kiinstler, sind Portiers, Hausdiener etc. etc. ähnlich ehemals des
Zöllner Henri Rousseau, nur mit weniger Begabung, weniger
Berufung zur Kunst.
Saion dev ncn und BKdbauetnnnem
Im Salon der Malerinnen und Bildhauerinnen sei wieder
einmal festgestellt, daß sich die Frauen auch hier eher begabter
zeigen als die Männer, und daß es ihnen versagt bleibt, Werke
zu schaffen, ihre Intensionen zu realisieren, und deshalb viel besser
täten, nur Frauen zu sein, schön, liebenswert, begehrenswert und
charmant.
Wenn sie doch einsehen wollten, daß ihnen die Kraft zur
Realisierung des geistig Geschauten fehlt, und einsehen wollten,
trotz einiger weniger rühmenswerten Ausnahmen, wie Rosalba
Carriera, Rosa Bonheur, Angelica Kaufmann, Alice Triibner oder
Frau Hans Thoma.

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