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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juniheft
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Schnorr von Carolsfeld, Ludwig: Max Adolf Pfeiffer
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0400

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seinem Können und seiner Einsicht vertraute. Damals
erregte es förmlich Aufsehen, daß Bildhauer wie
B a r 1 a c h , Scheurich, E s s e r , S c h e i b e ,
M a r c k s — um nur einige der bekanntesten Namen zu
nennen — sicli bereitfanden, für die Schwarzburger
Werkstätten Figurenmodelle zu liefern.
Nach kurzer Wirksamkeit an den Schwarzburger
Werkstätten erhielt Dr. Pfeiffer einen Ruf als kauf-
männischer Direktor an die Meißener Manufaktur, der
er seit April 1913 angehört. Auch hier gelang' es ihm
bald, seine neuen Ideen zu verwirklichen, obwohl er
anfangs auf Widerstand stieß, der bei dem Personal
einer durcli 200jährige Tradition geheiligten Manufaktur

Arbeiterentlassungen zwang. In Meißen hat man
solche Maßregeln solange wie möglich zu vermeiden
gesucht. Es wurde auf Vorrat gearbeitet. Mangels
der nötigen Betriebsmittel mußte ein Kredit bei der
Staatsbank aufgenommen werden, und da die erhoffte
Besserung der wirtschaftlichen Lage nicht eintrat,
schwoll die Schuldenlast zu beträchtlicher Höhe an.
Durch die eingeführte Kurzarbeit geriet ein großer
Teil der Arbeiterschaft in Bedrängnis. Die Situation ist
von kommunistischer Seite zu einer maßlosen Hetze
gegen Dr. Pfeiffer ausgenutzt worden. Im Februar
1925 entspann sich im sächsischen Landtag eine erregte
Debatte über die Zustände in der Meißener Manufaktur.

Paul Scheurich
Dame mit Negerkind


Staatliche
Porzellanmanufaktur
Meißen

begreiflich scheint. Entscheidenden Einfluß gewann er
aber erst im Jahr 1919, als der Fortbestand des großen
Werkes mit seiner Belegschaft von mehr als tausend
Köpfen durch die Stürme der Revolution ernstlicli be-
droht war und der völlig verzweifelte Leiter der Manu-
faktur ihm die Fiihrung allein überließ. Gestiitzt auf das
Vertrauen der Beamten, Arbeiter und Angestellten
konnte er die Manufaktur vor dem drohenden Zusam-
menbruch bewahren, ein Verdienst, das garnicht boch
genug angeschlagen werden kann. Ebenso gelang es
ihm, die Manufaktur während der kommenden Inflation
und des allgemeinen geschäftlichen Niederganges iiber
Wasser zu halten. Eine Zeit lang gestalteten sicli die
Absatzverhältnisse der Meißener Fabrik sogar so
giinstig, daß Pfeiffer mit Hilfe der Efeberschiisse das ge-
samte Werk von Grund aus erneuern konnte. Bis da-
hin arbeitete die Manufaktur mit ganz veralteten un-
rationellen Maschinen und Brennöfen.
Mit der Stabilisierung der Währung trat ein Riick-
schlag ein, der die gesamte keramische Industrie zu

Man warf der Manufakturleitung unter anderem vor, sie
vergeude Unsummen fiir nutzlose „Versuche“, die von
den „Hungerlöhnen“ der Arbeiter bezahlt wiirden. Wer
mit den Verhältnissen der Manufaktur einigermaßen
vertraut ist, weiß, daß gerade diese „Versuche“ den
stark im Schwinden begriffenen Ruf Meißens aufs neue
befestigt liaben. Der rastlosen Arbeit Pfeiffers und
seiner Helfer ist es zu danken, daß die Manufaktur heute
wieder eine fiihrende Rolle unter allen Porzellanfabri-
ken einnimmt. Pfeiffer war sich bewußt, daß eine
Staatsmanufaktur nur dann eine Existenzberechtigung
hat, wenn sie den höchsten Ansprüchen an Qualitäts-
arbeit gerecht wird. Die Leistungen der Manufaktur
während der Aera Pfeiffer sind auch von allen objek-
tiven Beurteilern riickhaltlos anerkannt worden. Es
war unverantwortlich, die Dinge so vollkommen auf den
Kopf stellen, wie es die gegnerische Seite getan hat.
Fiir eine Manufaktur wie Meißen, deren Weltruf eng
mit der klassischen Vergangenheit im 18. Jahrhundert
verkniipft ist, kann eine plötzliche Abkehr von der

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