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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juniheft
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Schnorr von Carolsfeld, Ludwig: Max Adolf Pfeiffer
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0401

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Ueberlieferung und eine entschiedene Umstellung auf
die Moderne schon aus materiellen Gründen nicht in
Frage kommen. Aber sie muß doch schließlich den Weg
zur Gegenwart finden. Von Anfang an hat Dr. Pfeiffer
dieses Ziel verfolgt. Er berief eine Reihe der bestgeeig-
neten Künstler nach Meißen, andere verpflichtete er der
Manufaktur durch Vertrag. Zum Teil waren es die
nämlichen Künstler, die bereits für die Schwarzburger
Werkstätten gearbeitet hatten: Max Esser, Paul
Scheurich, Richard Scheibe, Gerhard
Marcks, Richard Langer und andere. Dazu
kam noch der in der Dresdener Akademie geschulte,
vielseitig begabte P a u 1 B o e r n e r. Schließlich ge-
lang es Pfeiffer, der Meißener Manufaktur das Recht
zur Vervielfältigung der Tierfiguren August Gauls
zu sichern. Heute verfügt Meißen über eine stattliche
Zahl ausgezeichneter Figurenmodelle, die sehr wohl den
Vergleich mit den klassischen Stücken des 18. Jahr-
hunderts aushalten. Die ersten Ausformungen werden
von den Künstlern eigenhändig bossiert, bemalt und sig-
niert. Diese sogen. ,,Urstücke“ haben durchaus den
Charakter von Originalarbeiten, deren Wert für Samm-
ler und Museen auf der Hand liegt. Auch sollen sie als
Vorbilder für spätere Wiederholungen dienen. Es wird
dadurch erreicht, das die Qualität der Ausführung stets
auf gleich hohem Niveau bleibt.
Erfreulicherweise läßt sich feststellen, daß das
Können der einzelnen Künstler durch die intensive Be-
schäftigung mit dem kapriziösen Material im Lauf der
Jahre erheblich gewachsen ist. Von den biedermeier-
lich-sentimentalen Figuren, die S c h e u r i c h nach
dem Schumannschen Karneval des russischen Balletts
geschaffen hat, bis zu der Dame mit dem Negerkind
oder der großen Uhr mit den zwei sitzenden Putten ist
ein weiter Schritt. Ebenso sichtbar ist der Fortschritt,
den Max Esser, der Tierplastiker der Manufaktur,
zu verzeichnen hat. Seit Jahren arbeitet er unermüdlich
an dem großen Tafelaufsatz ,,Reinecke Fuchs“; immer

einfacher und klarer gestaltet er den Aufbau der Einzel-
stücke, die sich harmonisch zum Ganzen zusammen-
schließen. Dem Böttgersteinzeug, dessen Herstellung
Pfeiffer wieder gelungen ist, versteht Esser die feinsten
Reize abzugewinnen. Dieses edle Material scheint ihm,
dem Meister der Ciselier- und Tauschiertechnik in
Bronze, ganz besonders zu liegen. Man betrachte die
köstlichen Tierfiguren zu seinem Schachspiel, die
großen ruhenden Elefanten als Träger von Kerzen und
Schalen, die sitzende Schleiereule mit ihren durch
Schliff und Politur belebten Flächen, oder die schrei-
tende Löwin von G a u 1, deren Ausformung Esser sorg-
fältig überwacht hat. P a u 1 B o e r n e r , der sich
durch seine Münzen, Medaillen und Plaketten in Bött-
gersteinzeug einen Namen gemacht hat, zeigt seine Be-
gabung neuerdings auf dem Gebiet der Vasenmalerei.
Den Anreiz dazu gab ihm offenbar das Studium der
Augustus Rex-Vasen aus dem Porzellanzimmer des
Dresdener Schlosses, nach denen die Meißener Manu-
faktur in den letzten Jahren erstaunlich gut gelungene
Kopien hergestellt hat. Als Vasenformen benutzte er
teils die alten klassischen Modelle, teils schuf er neue
dazu. Ueber den weißen Grund sind große Blu-
men, Zweige, Raupen und Vögel in streng stili-
sierter Zeichnung und harmonisch abgestinunten,
z. T. goldgehöhten Farben gestreut. Alle diese Motive
sind wie gleichwertige Ornamente miteinander ver-
webt und zueinander in Beziehung gesetzt. Hier bleibt
noch ein letzter Schritt zur Anwendung farbiger
Gründe, mit denen Meißen im 18. Jahrhundert außer-
ordentlich starke Wirkungen erzielte.
Der künstlerische Aufschwung der Meißener Manu-
faktur wäre undenkbar ohne die vollkommenen tech-
nischen Anlagen, die Pfeiffer als keramischer Fachmann
geschaffen hat. Aber es darf auch nicht vergessen
werden, daß er zugleich der geistige Anreger und För-
derer aller künstlerischen Schöpfungen gewesen ist.

Illustrationsprobe
aus dem
Werke „Afghanistan“
von
Oskar v. Niedermeyer


Arerlag
Karl W. Hiersemann
in Leipzig

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