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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juniheft
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Schmitz, Hermann: Zur Kundgebund der kunstgeschichtlichen Gesellschaft für Wilhelm von Bode
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Pariser Kunstleben / Römischer Kunstbrief / Kunstauktionen / Kunstausstellungen / Die Welt der Kunstgelehrten / F. A. Boerners Rembrandt-Landschaft / "Der lachende Mann" / Menzel und der "Herr Wirth" / Meisterwerke deutscher Fayence / Berlins privater Kunstbesitz in der Akademie / Neues vom Kunstantiquariat
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0403

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Ich habe mich zu dem Schritt für Bode berufen gefülilt, weil
ich seit zwanzig Jahren, seit meiner ersten Volontär- und Hilfs-
arbeiterzeit an unseren Museen mit Bode durch wissenschaftliche
Arbeiten der verschiedensten Art unzählige Male zusammen ge-
führt worden bin, und dmmer wieder — man mochte auch gegen
Bode Dieses oder Jenes auf dem Herzen haben —- die tie'fe Lei-
denschaft fiir die Sache, insbesondere fiir die Sache der deutschen
Kunst bewundern mußte, diese tiefe Leidenschaft zur Sache, die
uns Allen heute mehr als je ein leuchtendes Vorbild sein muß.
Bode war, man konnte zu ihm kommen mit welcher Sache man
wollte, immer mit Rat und Tat bereit, zu helfen, wenn er in der
Sache einen berechtigten Sinn erkannte. Ich will einen akuten
Fall anführen, der Bode selbst völlig fern lag, das gerade in diesem
Augenblick mit einer Widmung an Geheimrat Hoffmann im Ver-
lage Wasmuth neu herausgegebene Buch „Berliner Baumeister
vom Ausgang des 18. Jahrhunderts“, das sich insbesondere wegen
seiner hervorragenden Innenaufnahmen aus den preußischen
Schlössern der größten Schätzung der deutschen Architekten,
Handwerker und Bauherren erfreut. Aus der Einleitung ersieht
man, daß die damals den zahlreiohen photographischen Auf-
nahmen in den Schlössern entgegenstehenden anscheinend un-
überwindlichen Widerstände Bode durch sein unmittelbares Ein-
greifen beim Hofmarschallamt und beim Kaiser aus dem Wege
geräumt hat.
Bode hat sich ein nicht genug zu schätzendes Verdienst um
die preußischen Staatsmuseen und um die unabhängige Wissen-
schaft erworben, als er vor mehr als Jahresfrist im „Kunst-
wanderer“ zuerst auf das Bedenkliche der nahen Verbindung des
Ministerialreferenten im preußischen Kultusministerium mit einem
Wissenschaft und Geschäft verquickenden Verleger wic Herrn
Biermann hinwies. Die in dem Vorwort des Gall- und Biermann-
schen Jahrbuches von Herrn Gall ausgesprochene Belobigung
Biermanns — die er dann in noch kräftigeren Tönen anläßlich
jener oben berührten Buchbesprechungsangelegcnheit offiziell
wiederholt hat, mußte die seit Jahrzehnten tätigen wissenschaft-
lichen Beamten stutzig machen, über die Herr Gall so manches
verletzende Wort in Umlauf gebracht hatte. Es handelt sich nicht
um die Persönlichkeit des Herrn Biermann an sich; mag dieser
treiben, was er will. Es handelt sich auch nicht um die Persön-
lichkeit des Herrn Gall. Sondern es handelt sich um die Beziehung
des Herrn Biermann zu einem in einer höheren Staatsstellung
stehenden übergeordneten Beamten, dem Sachbearbeiter eines
preußischen Ministeriums, der in der gegenwärtigen Lage unseres
Landes doppelt und dreifach verpflichtet ist, jede seiner Schritte
und Handlungen nach der schwerwiegenden Verantwortung zu be-
messen, die er der ihm anvertrauten Sache, die er aber auch den
Jahrzehnte vor scinem Erscheinen einwandfrei wirkenden Mit-
gliedern seines Ressorts schuldet. Wenn der Landtag aus äußeren
Gründen die Vollendung von Bodes ostasiatischem Museumsbau
zurückstellen mußte, so ist Bcdes Kummer iiber diese Gefährdung
seines Lebenswerkes verständlich, und niemand wird ihm seine
Aeußerungen in der Deutschen Allgemeinen Zeitung verübeln.
Aber deshalb durfte Biermann in unleugbarer Verbindung mit
Herrn Gall sich nicht erdreisten, in seiner Zeitschrift und in
der Kölnischen Zeitung Bodes Werk dem Gespött der Laien
Preis zu geben. Ich habe eben in Paris die schöne Ausstellung
orientalischer Kunst gesehen: „L’Exposition de L’Art, üriental,
- Chine — Japo-n — Perse — organisee au profit de la
Societe de Charite Maternelle“, die die Kunst AlLAsiens von den
Skythen, zu den Persern und Indern und die Ostasiens umfaßt —
und die beweist, daß die in dieser Richtung liegenden Gcdanken
Bodes nicht so laienhaft sind, wie der Offiziosus des Herrn Gall
der Oeffentlichkeit vortäuschen wollte.
Herr Gall hat meinen und des Herrn Dr. Voss Namen aus-
geschlossen von denjenigen Namen, die die Zierde deutscher

Das ,,Berliner Tageblatt“ nennt
den „Kunstwanderer“ die „auch im weiten Aus-
land anerkannte Sammler - Zeitschrift.“

Kunstwissenschaft sind und bleiben wmrden. Ich glaube, solche
Urteile muß man der Zeit überlassen. Diese Andeutung des Dr.
Gall als jüngeren Architekturtheoretikers von einseitiger rationaler
Geistesrichtung ist an sich belang'los. Aber ein Personalreferent
der Museen kann und darf solche Urteile über Fachgenossen des
ihm unterstellten Ressorts unmöglich abgeben. Diese Eigenschaft
verbietet ihm auch Aeußerungen bezüglich des Charakters
von Mitgliedern seines Ressorts und, seien sie noch so versteckt,
in einem öffentlichen Briefe an den Sozius des mit ihm in Arbeits-
gemeinschaft wirkenden Verlegers. Diese seine öffentliche Stel-
lung, nicht Herr Gall als solcher, ist ja auch die Ursache, die die
gesunde öffentliche Meinung anläßhch des Vorgehens gegen Bode
zu lebhafter Anteilnahme veranlaßt hat.
Die Antwort des Herrn Dr. Gall im letzten Cicerone auf
meine Anfrage hinsichtlich der irreführenden Darstellung des Zu-
standekommens der dresse fiir Bode, kann mir, sie kann auch
der öffentlichen Meinung nicht genügen. Ebenso erwarten wir
eine Aufklärung iiber den Stand seiner Beziehungen zu Herrn
Biermann.
Patnfet? KunftlebetO
Bei Barbazanges sah man die frühen Bilder von M a u r i c e
Utrillo. Stellt man bei den alten Meistern fest, daß nach den
Lehrlingsarbeiten die Meisterwerke kommen, so macht es Utrillo
umgekehrt, erst den guten Wein und nachher den geringen, und
es ist nicht etwa allein meine eigene persönliche Meinung, sondern
man schätzt hier allgemein die frühen Bilder Utrillos höher als
seine späteren und mit Recht, und darum auch die Ausstellung
seiner f r ü h e n Bilder.
Maurice Utrillo ist der Sohn der Susanne Valodon, der Sohn
einer begabten Mutter.
Susanne Valadon ist eine impertante Künstlerin, aber sprechen
wir vom Sohn, er ist etwa 45jährig und sein Werk, sein Früh-
werk, ist wichtig und interessant genug in der Erscheinungen
Flucht.
Maurice Utrillo malt nur Landschaften, als solcher aber ist
er Portraitist.
Kein Photograph natürlich, der das Objekt mit verbind-
lichem Lächeln: „Bitte recht freundlich!“ in die beste Pose rückt.
nicht das Exterieur, sondern das dahinterliegende, ist das Ent-
scheidende in diesen Werken, die so voll sind von dramatischem
Leben wie Shakspeare-Dramen.
Allerdings sind es hier keine stolzen Königsdramen, sondern
ganz einfach Menschheitsgeschicke.
Pariser Vorstadtgassen und -Gäßchen und Winkel zeigen
tieftraurige Gesichter, manchmal viel Schmerz; aber nicht nur die
Häuser, nein, auch die Bäume und der Himmel sind traurig.
Klingt das nach Literatur, glaubt man, daß ich da etwas in
die Bilder hineingeistere? Nein. Utrillos Bilder sind nicht litera-
risch, aber er selbst, er als Person ist ein schicksalhafter Mensch,
ein verdammter, wenn will ein Säufer und ein Begnadeter.
Man sagt, daß er schon als Knabe so oft er entwischen
konnte, ausbrach und in den Fuhrmanns Kneipen mit den Kutschern
kneipte, denen es Freude machte, ihn betrunken zu machen.
Zeitweilig im Irrenhaus, in der Trinkerheilanstalt oder zu
Flause hinter Schloß und Riegel, jedenfalls schon lange nie mehr
ohne Aufsicht.
Manchem mag das genial erscheinen, Poe, Gottfried Keller,
Strindberg, Munch und die Russen seien ja auch Säufer gewesen.
Das alles scheint mir weniger genial als traurig und auch
seine Bilder stimmen traurig. Diese Landschaften zu malen sind
zwar fiir Utrillo einzigstes Gliick und Vergessen, sie sind die
Niederschriften eines außerordentlich Begabten und sensiblen
Künstlers, der ganz eigenartig empfindet und ganz persönlich ist.
Ich mußte oft vor den. Landschaften Utrillos daran denken,
daß die alten Meister nie eigentlich reine Landschaften gernalt

*) Siehe „Der Kunstwanderer“ Mai-Doppelheft 1925.

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