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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juliheft
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Rave, Paul Ortwin: Neuerwerbungen der National-Galerie, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0438

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zwei größeren Bildern übernommen sind, von dem
rechten auf dem „Klosferfriedhof“ und von dem ent-
sprechenden linken des „Hühnengrabs“. Er wirkt da-
durch etwas zusammenegstoppelt, wie eine Kopie-
Studie nach dem Vorbild. Deshalb trug man auch be-
rechtigte Bedenken, das Bild C. D. Friedrich selbst zu-
zuweisen. Man wollte es lieber einem seiner Schüler
zuschreiben und dachte zunächst an Karl Gustav Carus
(Verzeichnis 1923, Nr. 1380). Dieser Marm erscheint
aber nach allem, was wir von ihm wisscn, als ein zu
selbstwilliger und lebendiger Mensch, um ihn in eiu
unmittelbares Schulverhältnis zu Friedrich setzen zu
zu können. Mit 25 Jahren war er (erst 1814!) nach
Dresden gekommen, bald in leitenden ärztlichen Stel-
iungen tätig, lehrend und in mancherlei Hinsicht publi-
zierend, oft auf Reisen und im Verkehr mit den berühm-
ten Zeitgenossen. Ein Kopf voll eigener Spekulationen,
iiber dessen weitschauender All-Lebens-Philosophie
sich in einer besonderen Arbeit zu verbreiten es eben
an der Zeit zu sein scheint, wie wir vom Berliner Philo-
sophischen Seminar hören. Auch zeigen seine Male-
reien, denen er hin und wieder aus Liebhaberei oblag,
einen ganz anderen Kiang, sind schwerfälliger im Bau
und einförmiger im Gesamtton. Es bleibt schließlich
kein Zweifel, daß das merkwürdige Bild eine Lehr-Auf-
gabe für einen aus der Schar der jungen Leute um Fried-
rich war, der sicli den verschneiten Waldriesen des
Meisters als Muster-Beispiel genommen, aber rnit ge-
wissen Veränderungen und in einer Friedrich selbst
ganz fremden Buntheit der farblichen Behandlung zu
Ende geführt hat. Wer freilich unter diesen Schülern
in Frage kommt, diesen Heinrich, Kunimer, Liebe,
Wieser und wie sie alle heißen, — um das zu entschei-
den, mtißte die Forschung über die Gefolgschaft Fried-
richs weiter sein als sie heute ist.
Anders steht es rnit einem kleinen jüngst erworbe-
nen Oelbildchen, das wirklich von Carus’ Hand ist. Wir
wissen aus seinen ausführlichen Lebenserinnerungen,
wie er, um sich iiber Verfahren und 'W7esen der Land-
schafts-Malerei tätig zu unterrichten, seine Versuche
betrieb, wie er sie ohne alle Anleitung begonnen und
fortgeführt hat. In jungen Jahren hatte er einmal ein
paar Oelgemälde des alten Klengel kopiert, aber er ge-
steht selbst, daß er von ihm, auch im persönlichen Ver-
kehr, nicht viel habe lernen köunen. Das Malen war
ja auch mehr seine Nebenbeschäftigung in den Muße-
stunden, bedeutet seine poetischen Frgüsse gewisser-
maßen. Er schreibt, wie er sicli von ungewissen Zu-
ständen und falschen Umnachtungen habe durch seine
Entwürfe befreien wollen: ,,Wie oft ist es mir gelungen
das innerste Geheirnnis der Seele von schwerer Trü-
bung zu reinigen, indem ich dunkle Nebelbilder, in
Schnee versunkene Kirchhöfe und ähnliciies in bild-
lichen Kompositionen entwarf.“ Als ein derartiges
Selbst-Heilmittel des Maler-Arztes darf man vielleicht
das kleine Oelbild ansprechen mit dem „Pilger in einem
Felstal“ (Abb. 4). Liest man, wie er schwer durch einen
ihn nah berührenden 47odesfall betroffen wurde, wie er
zu jener Zeit eifrig änfing Dante zu iesen, so mag man

das im Gehalt schwermütige und irn Ton dumpfe Biid-
chen als Ausdruck seiner damaligen Gemütsverfassung
ansehn.
Ueberdenkt man einmal im ganzen das Leben des
königlich sächsischen Hofarztes Carus und seine mehr
wissenschaftlichen und literarischen als künstierischen
Befähigungen, so wird man im Allgemeinen etwas vor-
sichtiger mit Zuschreibungen unbekannter Bilder jener
Zeit an ihm verfahren müssen. So wurde der Galerie
neulich wieder ein Seestück, das aus Dresden kam, vom
Kunsthandel angeboten, wie es iiieß: ein Carus. Vorn
in den Wellen ein gestrandetes Schiff, felsige Küsten-
bildungen im Hintergrund, ein aufklärender Himmel, die
nasse Atmosphäre in grauen Tönungen von hohem
malerischen Reiz (Abb. 5). Man zögerte niclit, das Bild
zu erwerben, obgleich sofort Bedenken gegen die Ur-
heberschaft von Carus auftauchten. Es war zu sehr
gekonnt in der farblichen Behandlung, zeugte zu sehr
von geübter Schulung des Auges und der Hand, als daß
man solche Malweise einem Dilettanten hätte zutrauen
dürfen. Schließlich ergab denn auch die erneute sorg-
fältige Untersuchung der schwer leserlichen Bezeich-
nung ein deutlich ineinander geschlungenes F und C
über der Jahrszahl 1836. Die Vermutungen, daß es sich
um einen Landschafter vom Schlage Rebells handele.
von dem die Galerie ein jenem sehr älmelndes See-
stück, „Cumae“, voin jahre 1828 besitzt, ließen an
Franz Catel denken. Dieser lebte seit 1812 in Neapel
und Rom und wurde von dem Friedrich-Schüler Dahl
bei dessen Italien-Reise 1820/21 nicht unwesentlich be-
einflußt. Er schuf in den zwanziger bis vierziger Jahrm
eine Reilie von Seestücken, die aus verschiedenen öf
fentlichen Galerien wie Stuttgart, Dauzig und München
bekannt sind. Aber ob dieser Schiffbruch in jene Reiiie
der Seebilder von Catel gehört, erscheint durch die Art
der Malweise wieder zweifelhaft. Vielleicht muß man
an einen nocii unbekannten Dahl-Schüler denken.
Von einem der jüngeren Künstler um Frledricu,
Ernst Ferdinand Oehme, kennt man den Namen, doch
wenige seiner Werke. 1797 in Dresden geboren stand
der Jüngling völiig im Bann Friedrichs, und das Ge-
mälde eines nächtlichen beschneiten Klosterhofes mit
einem Zug Mönche zur erleuchteten Kirche trug ihm
eine vom Kronprinzen Friedrich August gestiftete Reise
nach Italien ein, die er 1819 antrat und 1825 beendete.
Zwei bezeichnete und datierte Werke aus den folgenden
wieder in Dresden verbrachten Jahren konnte die Gale-
rie jüngst erwerben, „Schloß Scharfenberg bei Nacht“
von 1827 und „Das Wetterhorn“ von 1829. Das düstere
Bild vom Scharfenberger Schloß (Abb. 6) verdient Be-
achtung als Zeugnis für die Oehme eigene Stimmungs-
kunst, über die Ludwig Richter in seinen Lebenser-
innerungen plaudert: „Oehme war ein Nachtfalter,
welcher am liebsten in Dämmerung und Nacht lierum-
flatterte . . . Man muß sich erinnern, daß namentlich
die Dresdener jüngeren Maler von den originellen Land-
schaften Friedrichs sicli mächtig angezogen fühlten und
in ähnlicher oder docli verwandter Weise ihm zu folgen
suchten. Auch Oeinne gehörte zu diesen . . . In Rom

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