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Donath, Adolph [Hrsg.]
Der Kunstwanderer: Zeitschrift für alte und neue Kunst, für Kunstmarkt und Sammelwesen — 6./​7.1924/​25

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1./2. Januarheft
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1./2. Juliheft
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Widmer, Johannes: Quer durch die Schweiz eine Kunstfahrt
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https://doi.org/10.11588/diglit.25879#0444

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Quet? duccb dte Sebiueis etne Kunßfabt?t
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^ie beginnt in G e n f, mit einem Mann des 18. Jahr-
^ hunderts, mit dem Pastellisten Liotard (1702
bis 1789).
Wenn es wahr sein mag, daß Liotard selten von der
nachwirkenden Emailtechnik und -Form seiner jugend
wegkam und daß seine Bildnisse etwas, bei aller Ele-
ganz Steifes haben, so trifft das docli nur ftir die viel
zu vielen Bildnisse von Parademenschen zu, die er wohl
oder iibel herstellen mußte. Sobald er sich selber seine
Tochter, seinen Sohn, Freunde darstellte, so konnte er
aus seinen scheinbaren Schranken heraustreten und
zeigte sich als der, der er wirklich war, als Zeit- und
Ranggenossen seiner berühmter gewordenen franzö-
sischen Kollegen vom Fach, und ich wüßte nicht, wel-
chem Quentin de la Tour das Selbstbildnis des greisen
Genfers unterliegen mtißte, das seit kurzem das Museum
seiner Vaterstadt ziert. Er ging 'gegen die Achtzig, als
er es maite; es ist denn aucli mürbe in seiner Farbig'-
keit, mtirbe im Sinn von edelreif, alles ausgegjichen und
zugleich das Ganze von einem merkwürdigen Purpur-
licht verklärt, das, auf dunkelm Grund, von des alten
Künstlers charakteristischer hohen roten Mütze ausgeht,
Diese Miitze wird aus einer drolligen Zutat zu einem
packenden Symbol: Ich war Maler und habe die reine,
klingende Farbe immer hocügehalten, was immer die
Welt von mir verlangte. — Um diese Höchstleistung
seines Lebens hin hat man für ein paar Wochen eine
aus genfer Privatbesitz bestrittene Gedächtnisausstel-
lung hergerichtet, die indessen den Beschauer innner
wieder auf jenes Selbstbildnis, auf zwei Fruchtstücke
des Alten und auf die Konterfeie seines muntern Jungen
und seiner rassigen Tochter, des P’atenkindes der Kai-
serin Maria Theresia, hinzieht.
In Bern sah man eine liiibscbe, in ihren neuern
Perioden wider Erwarten etwas enttäuschende Aus-
stellung pro domo: „B e r n i m B i 1 d.“ Das 17. und
18. Jahrhundert packten mehr, das eine rnit markiger
Zeichnung und starken Stimmungsfarben, das andere
mit dem Reiz der zieidicben mise en page und der zärt-
liclien Tönung.
Z ü r i c h beherbergte 31 B ö c k 1 i n , Studien des
jungen Malers, aus den 1850er Jahren, und aus der Um-
gebung Roms. Merkwürdig menr durch ihre Unrnerk-

würdigkeit, jedenfalls weit lrinter den ziemlich gleich-
zeitig Versuchen zurückstehend, die man in Basel sehen
kann, wenig cbarakteristisch.
Man tröstete sicli darüber, die Einen im Zürcher
Kunstbaus vor dem Auszug aus dem Lebenswerk so
tüchtiger Maler und Graphiker wie Gattiker und so
trefflicher Bildlrauer wie Siegwart. I3ie Andern zogen
naclr W i n t e r t h u r und genossen irn dortigen Mu-
seum die Studien F r a n k Buchser’s, die die Bas-
ler Kunstsammlung dorthin geliehen hatte, ihrer 90 von
den weit riber 400 in Basel aufbewahrten.
Diese Studien stamrnen aus sehr verschiedenen
Zeiten von Buchser’s mannigfachen, farbenfreudigen,
sonnesprühendem Schaffen. Merkwürdig, daß dieser
„Maler dreier Erdteile“, wie sich der Kühne gerne
nannte, von diesen Erdteilen wenig abhing. Er war
keineswegs Spezialist im graphischen Siirn, er be-
herrschte das Land, wo er ging und stand, und so kam
wolrl eine hinreißende Abwechslung den Gegenständen
nach in sein Schaffen. aber es entroHte sich nach dem
innern Gesetz der Persönlichkeit uird ihres Verhältnis-
ses zu den malerischen Zeitgedanken. Im Grunde stan-
den ihm Rubens und Goya nah; in seiner Zeit, doclr
nicht einwirkend, nur gleiclrströmend, Manet; eigentlich
anerkannte er aber als rnodern nur —■ Frank Buchser.
Ob wohl der Tag einrnal kommt, wo das Ausland ihm
siclr entdeckt? Zum Glück ist er zündend weit rnehr in
den Studien, deren Mehrzahl der Schweiz gesiclrert
bleiberr, als in deir Gemälden, in welchen fast immer
Altmodisches auftaucht und den Stronr hemmt, — Auch
eine hübsehe Ausstellung von Zeichnungen L u d w i g
V o g e 1 s war zu seb.en, jenes Zürcher Mitgängers der
deutsclren Nazarener, der sehr bald ganz ins Vateidän-
dische hineinsteuerte und dem die Schweiz niclrt so sehr
fiir seine meist hölzernen Bilder, ais für den Schatz ge-
nauer, und zugleich mit männlicher Freude geschaffener
Volksszenen und Tracbtenbilder dankbar ist.
Und nun warten unser der sog. „Schweizerische
S a 1 o n“ in Zürich und die Stauffer-Aus-
s t e 11 u n g in B e r n. Beide verdienen ein Wort für
sich. So ergibt sich trotz aller Not der Zeit das Bild
eines reich wogenden Kunstlebens durch das ganze
Land.


Netsuke, Japan. Auktion der Ostasiatischen Sammlung Alexander D . . . bei Hugo Helbing, Frankfurt a. M.

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