Des Künstlers Laufbahn.
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sitzen die Zeichner um das Gruppenmodell, das einen Totschlag posiert (Kain
und Abel oder Herkules) und von einer großen Schirmlampe — das Zeichnen
begann um 5 Uhr — Beleuchtung erhält. Rechts der König als Besucher mit
Suite und darüber die unvermeidliche Gloire. Die Wände sind mit Bildern
und Zeichnungsvorlagen dicht bedeckt.
Während man im ganzen über drei offiziell angestellte männliche Modelle
verfügte, war das weibliche streng verboten (siehe: Modelle). Erst 1759 ge-
stattete man dessen Zulaß, natürlich bekleidet, als das von Caylus gestiftete
Preiszeichnen für seelischen Ausdruck (Petes d'Expression) es er* Tetcs d'Ex«
• heischte, einmal im Jahre und in der Dauer von drei Stunden (Abb. 88)1. pression.
Von theoretischen Studien waren auch hier wie in Italien Geometrie,
Perspektive und Anatomie vorgeschrieben. Die Perspektive, mehr vom Perspektive.
Standpunkte einer geometrischen Wissenschaft als in praktischer Weise doziert,
fand bei den Kunstjüngern wenig Beifall. Der immer wohlwollende Caylus
schrieb 1764 zur Aneiferung einen Prix de Perspective aus, aber es stellten sich
nur fünf Bewerber ein. Man beschuldigte die schlechte Methode, wechselte die
Lehrer, aber ohne ersichtlichen Erfolg.
Ebenso leidlich stand es um die Anatomie. Man sandte die Eleven bis Anatomie.
1776 in die Ecole de Chirurgie, um die Vorlesungen zu hören, d. h. die eben
wollten. Als Hauptbehelfe dienten die Squelettes und die Ecorches, Muskels
männer nach Modellen des Bouchardon oder Houdon in Gips oder farbigem Wachs
hergestellt, oder anatomische Atlasse2. Dabei wurde empfohlen, dieselben mit
guten Antiken sowie mit gemalten oder skulpierten Figuren neuerer Zeit wohl zu
vergleichen und sie besonders beim Modellzeichnen heranzuziehen. Aber die Klage
über die gleichgültige und geringschätzige Auffassung dieser Disziplin als eine
trockene und wenig angenehme verstummte nicht im 17. und 18. Jahrhundert.
Watelet und Levesque kämpften noch 1792 gegen diese Vernachlässigung3.
Mit der Neuorganisation von 1749 setzten zum ersten Male die offiziellen Vors
lesungen über Geschichte, Fabel und Geographie ein, die während der Historie.
Zwischenpausen durch Ablesen einzelner Kapitel oder gar nur durch Privatlektüre
gepflegt wurden. Die beiden ersten Disziplinen hatten die Aufgabe, die Phantasie
anzuregen und zu bilden, aber auch zur Komposition hinüberzuführen. Bernard
Lepicie ließ stets im Anschluß an ein durchgenommenes Thema Kompositionss
skizzen arbeiten. Die besten Zeichnungen wurden ausgewählt und in einer
Mappe chronologisch eingeordnet4.
Der Abschluß staatlicher Ausbildung, doch nur für die «Proteges», erfolgte Romreise,
in Rom in der von Ludwig XIV. gegründeten und von Charles le Brun eins
gerichteten Academie de France, gegen die in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts gleichfalls heftige Stimmen seitens der Enzyklopädisten laut
wurden. Man stritt leidenschaftlich. Der Kampf gegen den Academisme, in
' Nach Locquin befindet sich die Originalzeichnung, datiert vom Jahre 1762, im Louvre
und stellt La Douceur dar; abgebildet und beschrieben im Katalog: Collection des Gon«
cours, Paris 1897, Nr. 54. Ausschnitt.
2 Über die Entstehung von Houdons Ecorche siehe Joh. Chr. v. Mannlich, Ein deutscher
Maler, Berlin 1910, S. 97.
3 Dictionnairc des Arts de Peinture I, 76. 4 Locquin, op. cit. p. 88.
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sitzen die Zeichner um das Gruppenmodell, das einen Totschlag posiert (Kain
und Abel oder Herkules) und von einer großen Schirmlampe — das Zeichnen
begann um 5 Uhr — Beleuchtung erhält. Rechts der König als Besucher mit
Suite und darüber die unvermeidliche Gloire. Die Wände sind mit Bildern
und Zeichnungsvorlagen dicht bedeckt.
Während man im ganzen über drei offiziell angestellte männliche Modelle
verfügte, war das weibliche streng verboten (siehe: Modelle). Erst 1759 ge-
stattete man dessen Zulaß, natürlich bekleidet, als das von Caylus gestiftete
Preiszeichnen für seelischen Ausdruck (Petes d'Expression) es er* Tetcs d'Ex«
• heischte, einmal im Jahre und in der Dauer von drei Stunden (Abb. 88)1. pression.
Von theoretischen Studien waren auch hier wie in Italien Geometrie,
Perspektive und Anatomie vorgeschrieben. Die Perspektive, mehr vom Perspektive.
Standpunkte einer geometrischen Wissenschaft als in praktischer Weise doziert,
fand bei den Kunstjüngern wenig Beifall. Der immer wohlwollende Caylus
schrieb 1764 zur Aneiferung einen Prix de Perspective aus, aber es stellten sich
nur fünf Bewerber ein. Man beschuldigte die schlechte Methode, wechselte die
Lehrer, aber ohne ersichtlichen Erfolg.
Ebenso leidlich stand es um die Anatomie. Man sandte die Eleven bis Anatomie.
1776 in die Ecole de Chirurgie, um die Vorlesungen zu hören, d. h. die eben
wollten. Als Hauptbehelfe dienten die Squelettes und die Ecorches, Muskels
männer nach Modellen des Bouchardon oder Houdon in Gips oder farbigem Wachs
hergestellt, oder anatomische Atlasse2. Dabei wurde empfohlen, dieselben mit
guten Antiken sowie mit gemalten oder skulpierten Figuren neuerer Zeit wohl zu
vergleichen und sie besonders beim Modellzeichnen heranzuziehen. Aber die Klage
über die gleichgültige und geringschätzige Auffassung dieser Disziplin als eine
trockene und wenig angenehme verstummte nicht im 17. und 18. Jahrhundert.
Watelet und Levesque kämpften noch 1792 gegen diese Vernachlässigung3.
Mit der Neuorganisation von 1749 setzten zum ersten Male die offiziellen Vors
lesungen über Geschichte, Fabel und Geographie ein, die während der Historie.
Zwischenpausen durch Ablesen einzelner Kapitel oder gar nur durch Privatlektüre
gepflegt wurden. Die beiden ersten Disziplinen hatten die Aufgabe, die Phantasie
anzuregen und zu bilden, aber auch zur Komposition hinüberzuführen. Bernard
Lepicie ließ stets im Anschluß an ein durchgenommenes Thema Kompositionss
skizzen arbeiten. Die besten Zeichnungen wurden ausgewählt und in einer
Mappe chronologisch eingeordnet4.
Der Abschluß staatlicher Ausbildung, doch nur für die «Proteges», erfolgte Romreise,
in Rom in der von Ludwig XIV. gegründeten und von Charles le Brun eins
gerichteten Academie de France, gegen die in der zweiten Hälfte des
18. Jahrhunderts gleichfalls heftige Stimmen seitens der Enzyklopädisten laut
wurden. Man stritt leidenschaftlich. Der Kampf gegen den Academisme, in
' Nach Locquin befindet sich die Originalzeichnung, datiert vom Jahre 1762, im Louvre
und stellt La Douceur dar; abgebildet und beschrieben im Katalog: Collection des Gon«
cours, Paris 1897, Nr. 54. Ausschnitt.
2 Über die Entstehung von Houdons Ecorche siehe Joh. Chr. v. Mannlich, Ein deutscher
Maler, Berlin 1910, S. 97.
3 Dictionnairc des Arts de Peinture I, 76. 4 Locquin, op. cit. p. 88.