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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0287
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252

Zeichnerische Vorstufen.

nach demselben Runden zu erreichen (§ 82), oder ob Albertis Methode der
Flächenzerlegung Anwendung fand (S. 148), das gesteckte Ziel sollte eines
Tages das Studium menschlicher Körper (l'ignudo) sein, die Inangriffnahme
jenes Kunstelementes, dessen Beherrschung für alle eine Lebensaufgabe bedeutete.
Viele ermüdeten in ihrem Ringen schon auf halbem Weg und blieben liegen,
viele flüchteten in die Seitenwege beengter Kunstgebiete1.

Von diesen drei Stufen erfuhr die erste wohl die geringste zeitliche Ent*
wicklung, es sei denn, daß die allmählich auftauchenden gestochenen Vorlagen*
werke methodisch einzugreifen und die Wahllosigkeit zu verdrängen suchten.
Dagegen widmete man der zweiten und dritten Stufe alle Aufmerksamkeit, da
hier Licht* und Schattenfragen, perspektivische Erkenntnisse der Lösung harrten.

Je mehr sich der Antikenkultus in Italien verbreitete, desto reicher durch*
drang die Jugend Anregung und Schönheitsfülle, so daß Rilievozeichnen
und Antikenzeichnen zu einem Schulbegriff zusammenwuchsen, den später
die Akademien leidenschaftlich übernahmen und an ihren gipsernen Modellen
bis zum ertötenden Übermaß traktierten.
II naturale. Rascher und lebendiger erstarkte das N a t u r z e i c hn e n, das schon in sich
selbst allen Anreiz und Antrieb barg und sich in dem Reichtum einer end*
losen Formenwelt geltend machte. Nichtsdestoweniger hatte man noch im
Atelier vor dem Modelle oder in freier Natur allerlei von der Proportion, der
Licht* und Raumperspektive diktierte Regeln zu finden, zu erwerben und zu
beobachten.

Damals wie noch heute sollte der Wert und die Vollkommenheit einer
guten Zeichnung — und zum gewissen Teil auch einer Kopie — nicht nur in
der formalen Durchbildung eines richtigen Konturs liegen, in dessen Lebendig*
keit und Reinheit gemäß den Zeichenmitteln, in einer richtig erschauten und
durchgeführten Körperlichkeit, sondern auch in der Belebung aller Formen
durch den entsprechenden Ausdruck, sowohl vom Standpunkt des Darstellenden
als auch des Dargestellten.
Graphische Der Technik nach begann man in frühester Zeit im Anschluß an mittel*
Stufen. alterliche Tradition im ersten Jahre auf Täfelchen mit Silberstift zu üben, vom
zweiten Jahre ab folgte der Federriß und Lavierung, dann das Cartetinte*
Zeichnen und zum Schlüsse der Kohleentwurf. Diese vier Stufen führt Armenino
(p. 58) weiter aus: Zeichnen mit Feder auf weißem Papier (Kontur und
Schattierung gleichen Kupferstichen), das Federzeichnen mit Lavierung auf
weißem Papier (con l'acquerello), dasselbe auf beliebig gefärbten Papieren
(sulle carte tinte), um die höchsten Lichter anzubringen, und schließlich das
Zeichnen mit Kreide und Rötel (col lapis nero o rosso). Ohne daß diese
modi principali mit den einzelnen Lehrstufen in Verbindung gebracht werden,
läßt sich ihre Zuweisung an die eine und andere dennoch leicht erkennen2.

1 H. Ludwig, Allgemeine Grundsätze, nach welchen die Elementarerziehung des Malers
zu leiten ist (in: Studien z. deutschen Kunstgesch. 80, S. 25 ff.).

- Bernardino Campi reiht 1584 Unter* und Oberstufen in einem Zug aneinander:
Contrafare ogni sorta di disegni, ritrare il rilievo, ritrare dal naturale, schizzare l'invenzione
al miglior modo und das Anfertigen von Wachsmodellen nach der Skizze (Parere sopra la
pittura, in: G. Zaist, Notizie istoriche, Cremona 1774, S. 103).
 
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