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Teilstudien.

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Le Prince, Les Modeies, gest. von De Longueil, J. Heiss (Braunschweig), so
daß wir über zeitliche und lokale Gepflogenheiten in öffentlichen und privaten
Schulen ziemlich unterrichtet werden und manche technischen Vorgänge erfahren,
deren Behandlung leider das vorgesetzte Programm überschreiten würde.

In dem Zeitalter Ludwigs XV. spielte der weibliche Akt die größte Rolle. Frankreich.
Wiewohl an der Akademie nicht zugelassen, fand er in den einzelnen Malers
schulen eine um so intimere Pflege und entwickelte sich zu einer spezifisch
französischen Form, die weit über die Grenzen des Reiches großen Anklang fand.

Abb. 160. Fra Bartolommeo. Fliegende Putten nach einem Wachsmodel!.

Geschmackvoll und graziös im Lineament, farbig in der Erscheinung (aux trois
crayons), etwas lüstern in der Pose, dekorativ durch hinzugefügtes mythologis
sches Beiwerk, manifestiert er schon für sich allein den Kunstausdruck jener
Zeit. Wir merken hier nie wie bei Rembrandt den nüchternen Apparat der
Sitzung oder des Ateliers, weder ein Podium noch eine Stützvorrichtung. Fast
alle ruhen auf weichen, malerisch angeordneten Pfühlen oder gar gleich
Göttinnen auf Wolken. Die Natur erfuhr während des Studiums eine delikate
Umformung, vielfach aber zeichnete man auch auswendig. Neben streng
beobachteten Formen finden wir bei Boucher der Mehrzahl nach genial aus dem
Gedächtnis entworfene jugendliche Nacktheiten, die gleich seinen Putten muskel*
und knochenlos, gelenksarm, nur ihre schwammigen Reize aufzuweisen bestrebt
sind1. Daher konnte es kommen, daß Diderot 1765, indes mit Unrecht, behaupten
wollte, seit 50 Jahren benütze kein französischer Maler mehr ein Modell2.

1 Über Bouchers Modelle vgl. Mannlich op. cit. S. 56 ff.

Meder, Handzeichnung. 2. Aufl.

2 Oeuvres, Bd. X, 258.

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