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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0499
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Bildniszeichnung.

459

Bildnis«
Zeichnung.

sind wir gerade für die Periode einer noch schwerfälligen Maltechnik jenen
wenigen Bildniszeichnungen dankbar, weil sie uns der unmittelbaren Wahrheit
weit näher bringen.

Eine besondere Stellung hinsichtlich des Zweckes und der Bewertung nimmt die Die
im vorhinein als selbständiges Kunstwerk gedachte Porträtzeichnung ein. Wie selbständige
viele derselben wurden, ohne daß man an eine weitere Ausführung dachte, direkt
an die Dargestellten abgegeben und in deren Familie durch Geschlechter vererbt.
Vornehmlich standen die nach dem Spiegel gezeichneten Selbstbildnisse einzelner
Künstler, die häufig als Tauschobjekte dienten, im hohen Ansehen1. Gerade bei
den Deutschen fand der anspruchslose Porträtkultus Verbreitung. Bald zur Er*
innerung in das Skizzenbuch gerissen (Holbein d. Ä., Dürer, H. B. Grün),
bald aus Gefälligkeit oder gegen ein bescheidenes Entgelt auf einem Folioblatt
ausgeführt, begegnen uns diese sympathischen Köpfe noch ziemlich häufig.
Dürers niederländisches Tagebuch erwähnt nicht weniger als 98 Porträts, die er
aus Dankbarkeit oder gegen eine geringe Entlohnung, oft als Entschädigung für
eine Einladung zum Mittagessen, zeichnete (Abb. 287). Ihre Konservierung geschah
durch Aufspannen innerhalb einer vertieften Holztafel mit und ohne Deckel2.

Auch in Frankreich und Holland wußte man, wenn der Säckel nicht weit
reichte, ein Papiers oder Pergamentbildnis zu schätzen, die man rahmte oder
nach Art der Landkarten spannte und an die Wand hing (Abb. 63). Die frucht;
baren Clouet, Lagneau und Dumonstier, C. Visscher, G. Flinck,
Eeckhout, Cosijn, Ary de Vois, Miereveit, Slingelandt, Thopas
haben uns viele Proben dieser populären Bildniskunst hinterlassen. In gleichem
Maße bedeuteten Holzschnitte, Stiche und Radierungen eine vermehrte und
dauerhaftere Ausgabe gezeichneter Bildnisse für den Freundeskreis.

Die Entwicklung setzte manche primitive Vorläufer voraus. Zunächst Enface* und
jene schablonenhaften Umrisse beiläufiger Ähnlichkeit bei historischen Persönlich; Profiltypen,
keiten. Buchmalerei, römische Kirchenmosaiken, frühe Freskomalereien und Glas;
bilder liefern rein zeichnerische, ganzfigurige Gebilde in Amtstracht und mit
Beischriften3. Ein byzantinisch feierlicher Enface;Typus ist vorgeschrieben4.
Giottos Bonifaz VIII. (Lateran) erinnert noch sehr an die alte Formel. Aber ge;
rade im Jahrhundert dieses Meisters setzt sich mit dem gleichzeitigen Erblühen
der Freskogemälde das Profilporträt durch und zwar gleich gruppenweise
in den Assistenzfiguren von Zeitgenossen (Bruderschaften, Stiftern, Magistrats;
personen, Dichtern, Malern) oder in den Darstellungsserien großer Männer,
selbst vergangener Zeiten (uomini famosi), oder sogar in vereinzelten Reiterbild;
nissen von Condottieren5. Die antiken Ziermedaillons mit Caesarenköpfen und

1 Dürer und Raffael (Vas. Mil. IV, 354). - J. v. Sandrart und Guercino (T. A. I, 199).

2 «Item hab Meister Jacob mit dem Kohln conterfet und ein T e f e 1 e i n dazu machen
lassen, kost 6 Stüber, und ihm geschenkt.» Lange und Fuhse, S. 170.

3 Burckhardt, op. cit. S. 146.

4 Beispiele: Kaiser Nikephoros Botanates aus Joh. Chrysostomus aus dem ll.Jahrh.
(Paris, Bibl. nat. Coislin 79) oder Kaiser Otto III, Evangeliarum in München (Cimel. 58);
Heinrich IL, Missale München (Cimel. 60); König Karl von der Provence, Straßburg, Glas*
fenster nach 1298. Alle abgebildet bei Woltmann und Woermann I, Fig. 62, 68, 70, 112).

5 Burckhardt, op. cit. S. 158 ff.
 
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