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Landschaftszeichnung.

Schattierungsstufen, deren richtige Anlage vieler Erfahrungen bedurfte, oder
auffallend gegensätzliche Größenverhältnisse vorn aufgestellter Kulissen oder
Baumstämme (Abb. 220). Im Bilde vollzog sich das leicht und rasch, alles
Organische erhielt durch den Pinsel Körper, Raum, Entfernung, Verbindung,
Blut und Leben.

Darin liegt das Schwierige unserer Aufgabe, die Landschaftszeichnung —
insbesondere für den Beginn — losgelöst vom Bilde einer Betrachtung unter*
ziehen zu wollen. Trotzdem mußte der Versuch unternommen werden, die
technische Entwicklung, d. i. die organische Zusammengehörigkeit der Glieder,
deren Aufbau nach vorn und rückwärts, Symmetrie, Proportion und malerische
Erscheinung auch in dem Zeichnungsbestande aufzusuchen. Freilich im steten
Anschluß an die gemalten Landschaften der Zeit selbst, denn das allmähliche
Auftauchen gewisser Probleme wie Lichts, Farben« und Stimmungseffekte konnte
nur aus den Malweisen heraus beobachtet werden.

Im ganzen 15. Jahrhundert und noch in das 16. hinein gab es keinen
wesentlichen Unterschied zwischen figuralem und landschaftlichem Kompos
nieren, weil letzteres nur eine Ergänzung des ersteren bildete. In der Bilds
Zeichnung erfolgte erst die Zurichtung landschaftlicher Motive nach Größe und
Bedarf und in der Tafel die farbige Umformung, Ausstattung mit tonigem
Licht= und Luftschimmer nach gedächtnismäßig verarbeiteten Impressionen, nach
der Phantasie. Alle Rückschlüsse innerhalb des Naturstudiums weisen zunächst
Veduten. nur auf ein zeichnerisches Notieren von Ve d u t e n, Städten und Schlössern
hin. In altflandrischen Bildnissen zeigt der Hintergrund Privatbauten der Dar*
gestellten1. Die .Grandes Heures' des Herzogs von Berry, das ,Livre d'Heures'
des Ludwig von Savoyen enthalten Städteansichten2. Die ländliche Umgebung
des Malers oder der Besteller wurde in die religiösen Darstellungen übers
nommen. Im Fischzug des Konrad Witz vom Jahre 1444 zeigt der Hinters
grund den Genfersee. Gerade diese bereits von einem Lokalton durchdrungene
Landschaft mit örtlichen Spiegelungen des Wassers läßt sogar eine aquarellierte
Studie voraussetzen. Dürers farbige Landschaften aus seiner Venediger Reise,
gleichfalls Ansichten, dürften uns daher nicht als eine Entdeckung erscheinen.
Als Unter allen Vorarbeiten zu einem Bilde war die Landschaftsskizze wohl der

Füllstück. bescheidenste, aber dehnbarste Bestandteil, weil Füllmaterial des Hintergrundes;

selbst den vorherrschenden Farbenwerten zuliebe erfolgten noch jederzeit Ums
formungen. Daher auch die anfängliche Geringschätzung derartiger Studien bei
Mangel Künstlern und Sammlern und die Seltenheit früher Blätter. Alle Regeln, hervors
an Regeln, gegangen aus vielen Einzelbeobachtungen, entwickelten sich in der Werkstatt
selbst und entziehen sich in ihrer lokalen oder zeitlichen Aufeinanderfolge unserer
Kontrolle. Wir können sie nur da oder dort als bereits fertig angewandt konstas
tieren und auch nur an zufällig erhaltenen. Beispielen. Sobald sie theoretisch
in bezug auf die Malerei ausgesprochen werden, sind es abgeschlossene Entwicks
lungen. Wenn Leonardo z. B. sagte, die Bäume solle man halb beleuchtet und
halb beschattet darstellen und daß es das beste sei, sie zu machen, wenn Wolken

1 Kämmerer, op. cit., S. 53.

2 J. Gramm, Die ideale Landschaft, ihre Entstehung und Entwicklung. Freiburg i. B. 1912.
 
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