Werkstattbehelfe.
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leicht wieder entfernen lassen. Sind die Konturen zur Zufriedenheit ausgefallen,
kopiere man sie von dem Glas auf ein durchsichtiges Papier und von da auf
ein gutes Zeichenpapier (§ 90).
Bei Dürer finden wir 1514 eine genaue Darstellung wie nach Leonardos Anwendung.
Vorschreibung (Abb. 253)1. Er, dessen formsichere Hand derartiger Unters
Stützungen leicht entraten konnte, übernimmt diesen Behelf trotzdem in seine
Unterweisung und fügt einen illustrierenden Holzschnitt bei (Abb. 204)
sowie die feine Bemerkung: «Solichs ist gut all denen, die jemand wollen
abconterfeten und die irer Sach nit gewiß sind.» Wegen gewisser Vorteile kam
der Apparat in keinem Jahrhundert außer Gebrauchend blieb an allen Akades
mien in traditioneller Übung. Ältere Künstler erzählten mir, daß sie noch auf
mit Gummi überstrichenen Glasplatten nach den Ans
tiken die Konturen zeichneten2. In den Kupferstechers
schulen hielt man sich beim Kopieren von Gemälden
gleichfalls an diesen Behelf. Der Apparat erfuhr
mannigfache Verbesserungen, Erweiterungen und Vers
einfachungen, von^ welchen nur jene J. H. Meyniers
(Abb. 206) und Fried. Christ. Müllers (Abb. 253 a)
erwähnt seien. Der letztere stellte ihn auf ein Stativ,
versah ihn mit einer Ruhestange E für die Hand und
erfand sogar Methoden, durch Schwärzung der ges
zeichneten Konturen dieselben auch vergrößert auf
eine Fläche zu projizieren3. Auch heute noch erachteten
ihn manche Maler (Orlik, Hodler bei ganzfigurigen
Porträts) eines Versuches wert (siehe Kap. Bildniss
Zeichnung, S. 467, ferner Schattenrißapparat, S. 470).
Die einfache Glasscheibe findet außerdem — und
meines Wissens nur in der Maltechnik — eine weitere,
nicht unvorteilhafte Verwendung, wenn in einer bes
reits untermalten vielfigurigen Bildkomposition eine
neue Figur eingeschoben oder eine vorhandene umgestaltet werden soll, ohne
daß man die bereits fortgeschrittene Arbeit antastet. Die Einschubfigur wird
mit Ölfarbe in der entsprechenden Größe auf die Glasscheibe monochrom
oder farbig skizziert und letztere auf die betreffende Stelle der Leinwand gelegt.
Ihre Durchsichtigkeit ermöglicht es, daß man die darunterliegende Figurens
gruppe mit der neu aufgesetzten Korrektur durch Hins und Herschieben
verbinden und auf ihre Zulässigkeit vergleichen kann.
SPIEGEL. Das Spiegelzeichnen und Spiegelmalen ist uralt. Die
Malerin Jaia (Laia) aus Kyzikos (geb. 638 v. Chr.), wie Plinius erzählt, pinxit...
'Aus Bruck, Dresdener Skizzenbuch, Taf. 135, Ausschnitt. Feder. Verlag J. Heitz, Straß*
bürg. — Dürer, Unterweisung, 1525, Fol. A verso. Die Verwendung des Apparates siehe im
Holzschnitt B. 148, der Kannezeichner, und Bruck, Dresdener Skizzenbuch, Taf. 136.
2 Maler Paul Joanowitsch teilte mir mit, daß er mit Lithographenkreide ganz gute
Konturen erzielt habe. Ich fand als gut verwendbar die heute im Handel vorkommende
sibirische Kohle. Absolut sicher zeichnen gespitzte und gut getrocknete Seifenstängel.
3 Gebrauch der Transparente zum Zeichnen nach der Natur nebst einer Anleitung
zum Portraitieren. Frankfurt und Leipzig 1776, S. 21, 35.
35*
Abb. 253 a. Glastafelapparat
nach Fr. Chr. Müller, 1776.
Korrekturs
scheibe.
Für
Selbst*
bildnisse.
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leicht wieder entfernen lassen. Sind die Konturen zur Zufriedenheit ausgefallen,
kopiere man sie von dem Glas auf ein durchsichtiges Papier und von da auf
ein gutes Zeichenpapier (§ 90).
Bei Dürer finden wir 1514 eine genaue Darstellung wie nach Leonardos Anwendung.
Vorschreibung (Abb. 253)1. Er, dessen formsichere Hand derartiger Unters
Stützungen leicht entraten konnte, übernimmt diesen Behelf trotzdem in seine
Unterweisung und fügt einen illustrierenden Holzschnitt bei (Abb. 204)
sowie die feine Bemerkung: «Solichs ist gut all denen, die jemand wollen
abconterfeten und die irer Sach nit gewiß sind.» Wegen gewisser Vorteile kam
der Apparat in keinem Jahrhundert außer Gebrauchend blieb an allen Akades
mien in traditioneller Übung. Ältere Künstler erzählten mir, daß sie noch auf
mit Gummi überstrichenen Glasplatten nach den Ans
tiken die Konturen zeichneten2. In den Kupferstechers
schulen hielt man sich beim Kopieren von Gemälden
gleichfalls an diesen Behelf. Der Apparat erfuhr
mannigfache Verbesserungen, Erweiterungen und Vers
einfachungen, von^ welchen nur jene J. H. Meyniers
(Abb. 206) und Fried. Christ. Müllers (Abb. 253 a)
erwähnt seien. Der letztere stellte ihn auf ein Stativ,
versah ihn mit einer Ruhestange E für die Hand und
erfand sogar Methoden, durch Schwärzung der ges
zeichneten Konturen dieselben auch vergrößert auf
eine Fläche zu projizieren3. Auch heute noch erachteten
ihn manche Maler (Orlik, Hodler bei ganzfigurigen
Porträts) eines Versuches wert (siehe Kap. Bildniss
Zeichnung, S. 467, ferner Schattenrißapparat, S. 470).
Die einfache Glasscheibe findet außerdem — und
meines Wissens nur in der Maltechnik — eine weitere,
nicht unvorteilhafte Verwendung, wenn in einer bes
reits untermalten vielfigurigen Bildkomposition eine
neue Figur eingeschoben oder eine vorhandene umgestaltet werden soll, ohne
daß man die bereits fortgeschrittene Arbeit antastet. Die Einschubfigur wird
mit Ölfarbe in der entsprechenden Größe auf die Glasscheibe monochrom
oder farbig skizziert und letztere auf die betreffende Stelle der Leinwand gelegt.
Ihre Durchsichtigkeit ermöglicht es, daß man die darunterliegende Figurens
gruppe mit der neu aufgesetzten Korrektur durch Hins und Herschieben
verbinden und auf ihre Zulässigkeit vergleichen kann.
SPIEGEL. Das Spiegelzeichnen und Spiegelmalen ist uralt. Die
Malerin Jaia (Laia) aus Kyzikos (geb. 638 v. Chr.), wie Plinius erzählt, pinxit...
'Aus Bruck, Dresdener Skizzenbuch, Taf. 135, Ausschnitt. Feder. Verlag J. Heitz, Straß*
bürg. — Dürer, Unterweisung, 1525, Fol. A verso. Die Verwendung des Apparates siehe im
Holzschnitt B. 148, der Kannezeichner, und Bruck, Dresdener Skizzenbuch, Taf. 136.
2 Maler Paul Joanowitsch teilte mir mit, daß er mit Lithographenkreide ganz gute
Konturen erzielt habe. Ich fand als gut verwendbar die heute im Handel vorkommende
sibirische Kohle. Absolut sicher zeichnen gespitzte und gut getrocknete Seifenstängel.
3 Gebrauch der Transparente zum Zeichnen nach der Natur nebst einer Anleitung
zum Portraitieren. Frankfurt und Leipzig 1776, S. 21, 35.
35*
Abb. 253 a. Glastafelapparat
nach Fr. Chr. Müller, 1776.
Korrekturs
scheibe.
Für
Selbst*
bildnisse.