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Meder, Joseph
Die Handzeichnung: ihre Technik und Entwicklung — Wien, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.9755#0687
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640

Raumplastik.

sofort ersichtlich. Direktes Licht und allerlei Helldunkel gestalten die nur
flüchtig umrissene Figurengruppe innerhalb des Vorhauses zu einem interessanten
Raumproblem, zu einer plastischen Verteilung dunkler und heller Massen, ohne
— selbst noch in der Reproduktion — auf der einen Seite stumpf, auf der
anderen grell zu wirken. Das dämmerige Vorhaus und die sonnige Straße
verbinden sich zu einer Lichts und Raumeinheit.
Behelfe. Zur Herstellung eines zerstreuten, aber ruhig wirkenden Lichtes in Mal;

und Zeichenstuben, zumal für das Modellzeichnen, kam man auf verschiedene
Mittel. Die Lage an der Nordseite ward bald als die beste erkannt. Das
Fenster ohne Fensterstäbe sei mit Leinwand bezogen und gegen seine Ränder
hin mit einer aus Schwarz gefertigten Abtönung ins Dunkle versehen, damit
das Licht gegen den Fensterrand allmählich abnehme (Leonardo, § 431). Seine
weiteren Erfahrungen, daß nur eine möglichst große Lichtöffnung in Betracht
komme, daß deren unterer Teil verhängt werde, um den Widerschein gegen*
überliegender Gebäude aufzuhalten, wurden Gemeingut. Rembrandt hat uns
eine Illustration der bei holländischen Malern im Gebrauch stehenden Vors
richtung überliefert. Eine Oxfordzeichnung (Abb. 317)1, wohl aus den Jahren
recht kümmerlichen Behelfens in ärmlichen Quartieren, zeigt ein kleines Fenster,
dessen untere Hälfte geschlossen erscheint. Dagegen reflektiert ein am oberen
Fensterrahmen befestigter und hereingespannter weißer Vorhang das Licht in
der sonst lichtarmen Kammer nach allen Seiten. Das Modell erhält dadurch
nicht nur von vorne, sondern auch von rückwärts Helligkeit. Eine ausführliche
Vorschrift gibt für den Norden Lairesse in seiner ,Zeichenkunst', S. 86.

Eine ähnliche Wirkung hatten auch die in Akademien angebrachten Bes
leuchtungskörper mit ihren breiten, aber flachen Reflektoren für die abendlichen
Zeichenübungen (Abb. 3182, 87).

Zeichentechnisch genommen waren solche Aufgaben stets dem Pinsel als
höchstes Ziel des Lavierens zugewiesen. Das frühere einfache Abschattieren
der Körper und deren klare, scharfe Loslösung vom Hintergrunde erhielt auf
diese Art eine lichteinheitliche Zusammenfassung. Wenige nur verstanden diese
Kunst, weil man sie vielfach als alleinige Aufgabe der Ölmalerei erachtete3.

'Aus: Oxf. Draw. III, 28. Feder und Pinsel. — Den gleichen Vorgang beobachtet man
in den zwei Bildern A. v. Ostades: Der Maler in der Werkstatt (Dresden und Amsterdam).

2 Albertina, Inv.Nr.4768. Sepiazeichnung. — Siehe auch das Gemälde Quadals (1736—1808),
Aktsaal der Wiener Akademie in der Akademie Wien, geschabt von Joh. Jacobe (Abb. .in
J. Leisching, Schabkunst).

3 Alexandre Lenoir, La vraie science des artistes, tom. I, § III, p. 41 (Paris 1823): Le
Claii=obscur appartient e xclu siv eme nt ä la peinture. II consiste dans l'ari de distribuer,
dans un tableau ou sur une surface plane, la lumiere et l'ombre de maniere ä passer insen-
siblement de l'une a l'autre, ou de les fondre ensemble par des demi-tons.

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