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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0025
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Babuschka meinte beschwichtigend, dafür könne sie
nichts.

Jetzt kam die hellere Seite vor, und der Ton des Ganzen
veränderte sich, aber die Umrisse behielten die Schärfe.
Gut, mochte man es bei unserem Mangel an Worten schön
nennen, immerzu, schön wie ein Stück Stein oder wie ein
Berg oder sonst was.

— „Nein!“ sagte Babuschka.

— „Also wie?“ —

Sie zuckte nachlässig, begrifflichen Feststellungen ent-
rückt. Jedesmal wenn sie das Braune anhat, kommen wir
aufs Trockne. — Von der Natur habe es gar nichts, meinte
sie, viel größer und künstlicher.

— „Groß und künstlich, nette Kombination! —“

Dabei sagte sie etwas Bichtiges. Im Künstlichen, der

Natur durchaus entgegengesetzt, konstruiert, nicht ge-
wachsen, steckt der Beiz, in der nicht anzufassenden, ganz
unanimalischen Sphäre. Es ist ausschließlich Menschen-
werk, Bewußtsein. Nur wäre es nichts ohne die Sonne;
das ist festzuhalten. Ohne die Sonne käme es zu keiner
Funktion. Also ein mehr oder weniger nützliches Ding,
ein Apparat, um Licht und Schatten abzufangen, sehr in-
telligent erdacht, aber viel zu abhängig von seiner Bestim-
mung, um als Kunstwerk gelten zu können. Diesen Be-
griff sollte man draußen lassen; ein Ersatzmittel unge-
wohnten Umfangs und vom Alter geheiligt, immerhin
Ersatz.

— „So was wie eine Maschine, wie? —“ höhnt sie.

— „Ungefähr. Sagen wir Beflektor. Jawohl, ein Beflek-
tor! — Sehr guter Vergleich!—“

Natürlich entging den Äg}^ptern nicht das Spiel der
Sonne auf ihren Gestellen, und sie vertrieben sich damit
die Zeit, wie wir es heute tun. Jeder, wie er kann. Vielleicht
war es für Europäer ein Glück, weniger Sonne zu haben.

Babuschka ließ sich auf nichts ein. Sie fand die Pyra-

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