DIE PYRAMIDEN
miden einfach groß und damit basta. Weil sie groß waren,
hatten sie Ausdruck. Weil sie Ausdruck hatten, waren sie
Kunst und natürlich die größte aller Zeiten. Babuschka
machte sich nicht klar, daß jedes Volumen von solchen
Dimensionen und von ganz eindeutigen Formen irgend-
wie wirken muß. Kommt materieller Größe schöpferischer
Wert zu, so können wir vor dem Eiffelturm knien, und
jeder New-Yorker Wolkenkratzer übertrifft das Parthe-
non. Mit Lineal und Zirkel und dem nötigen Aufwand,
wie sie es damals gemacht haben, können wir heute sechs-
mal so große Pyramiden errichten. Die Symbolik dichten
wir dazu.
Die großen Dinger rühren sich nicht. Keine Überlegung
vermag einen Stein zu lösen. Was gehen sie dich an? Ja,
was gehen sie dich an? Warum fährst du trotzdem jeden
Tag, den Gott werden läßt, hinaus? Wirklich nur Gewohn-
heit? Was zittert in deinem Blick, obwohl du nachgerade
daran gewohnt sein könntest, jedesmal wenn die großen
leuchtenden Schrägen wieder erscheinen? Was zuckt von
dir zu der Pyramidenspitze hinauf? Wirklich nur das
Vergnügen an soundsoviel Metern? Sie sind ja gar nicht
groß neben der Größe ihrer Vorstellung, sind jedesmal
größer. Endlich möchte man diese mit dem Lineal ge-
machten, konstruierten, unschöpferisch entworfenen, me-
chanistischen Dinger einmal klein haben, durchschaut,
verdaut, erledigt. Sie wandeln gelassen durch den Raum,
gleich diskret vermummten Sonnengöttern.
Wenn man aussteigt, fallen zehn Ibrahims über uns
her und bieten ihre Esel, Kamele und ihre dummen Mäu-
ler an. Wenn sie glauben, mit einem Engländer zu tun zu
haben, heißt der Esel Whisky Soda, und Babuschka soll
auf ein Kamel namens Bismarck. Immer dieselben Ge-
schichten. Sie sind in der Zeit noch ein bißchen zurück.
Wenn inan dem einen Kerl, der immer wieder kommt,
mit dem Stock droht, antwortet er stets auf deutsch: „Eile
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miden einfach groß und damit basta. Weil sie groß waren,
hatten sie Ausdruck. Weil sie Ausdruck hatten, waren sie
Kunst und natürlich die größte aller Zeiten. Babuschka
machte sich nicht klar, daß jedes Volumen von solchen
Dimensionen und von ganz eindeutigen Formen irgend-
wie wirken muß. Kommt materieller Größe schöpferischer
Wert zu, so können wir vor dem Eiffelturm knien, und
jeder New-Yorker Wolkenkratzer übertrifft das Parthe-
non. Mit Lineal und Zirkel und dem nötigen Aufwand,
wie sie es damals gemacht haben, können wir heute sechs-
mal so große Pyramiden errichten. Die Symbolik dichten
wir dazu.
Die großen Dinger rühren sich nicht. Keine Überlegung
vermag einen Stein zu lösen. Was gehen sie dich an? Ja,
was gehen sie dich an? Warum fährst du trotzdem jeden
Tag, den Gott werden läßt, hinaus? Wirklich nur Gewohn-
heit? Was zittert in deinem Blick, obwohl du nachgerade
daran gewohnt sein könntest, jedesmal wenn die großen
leuchtenden Schrägen wieder erscheinen? Was zuckt von
dir zu der Pyramidenspitze hinauf? Wirklich nur das
Vergnügen an soundsoviel Metern? Sie sind ja gar nicht
groß neben der Größe ihrer Vorstellung, sind jedesmal
größer. Endlich möchte man diese mit dem Lineal ge-
machten, konstruierten, unschöpferisch entworfenen, me-
chanistischen Dinger einmal klein haben, durchschaut,
verdaut, erledigt. Sie wandeln gelassen durch den Raum,
gleich diskret vermummten Sonnengöttern.
Wenn man aussteigt, fallen zehn Ibrahims über uns
her und bieten ihre Esel, Kamele und ihre dummen Mäu-
ler an. Wenn sie glauben, mit einem Engländer zu tun zu
haben, heißt der Esel Whisky Soda, und Babuschka soll
auf ein Kamel namens Bismarck. Immer dieselben Ge-
schichten. Sie sind in der Zeit noch ein bißchen zurück.
Wenn inan dem einen Kerl, der immer wieder kommt,
mit dem Stock droht, antwortet er stets auf deutsch: „Eile
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