MATHEMATIK
mit Weile!“ — Weiter weiß er nichts. Schon diese Geschich-
ten sind widerlich genug. Natürlich kann man die Pyra-
miden nicht damit belasten, was übrigens nicht gesagt
zu werden brauchte.
Langsam nehmen wir den staubigen Weg zu dem Pla-
teau hinauf. Es gibt nichts Kindlicheres, als Dinge, die auf
Fernwirkung beruhen, von nahem besehen zu wollen. Na-
türlich muß das Sphärische, ihr einziger Reiz, verloren-
gehen, und sie werden zu behauenen Steinen. Was jetzt
noch imponiert, kann nur das brutale Massenwerk sein.
Eine unsinnige Menge Sklaven hat Jahrzehnte daran ge-
schleppt; ekelhafter Gedanke. Diesmal gibt es wieder eini-
ges Ungeziefer in den Ritzen. Die Reduinen kraxeln in
vier bis sechs Minuten hinauf, und man schließt Wetten
ab, läßt mehrere Ibrahims auf die Cheops los, notiert die
Zeiten. Releibte Touristen brauchen länger. Ein Ibrahim
drückt von hinten, einer zieht von vorn. Unten steht die
Gattin mit dem gezückten Kodak, angstvoll und happig.
Von unserm Hügel blickt man auf die Mischung von
grünem Fruchtland und gelber Wüste und gibt sich dem
Auge hin. Die Gedanken hüpfen über die flimmernden
Wasserlachen, verschlingen die Vegetation, gleiten im
Osten das festungsartige Gebirge aus hellem Kalkstein hin-
auf, und die Seele schwingt sich in das bekannte Rlau.
Übrig bleibt ein bestrahlter Leib in viehischem Rehagen.
Man hält es nicht lange aus, fühlt sich von hinten be-
obachtet. Sechstausend Jahre blicken auf deinen Rücken.
Laß sie blicken! Der Sand da ist noch älter, und selbst in
Kieferstädtl gibt es antidiluvianische Gebilde. Aber nach
unendlichen Zeiten viehischen Daseins entstand die Form.
Furcht erhob sich über das Zittern der Kreatur und wurde
Ehrfurcht, erfand den Gott, der die Willkür brach. Der
Hunger überwand den Darm und wurde geistig, und die
Sehnsucht nach Erkenntnis übersprang die Zeiten und
wagte sich von heute und morgen in die Ewigkeit. Die
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mit Weile!“ — Weiter weiß er nichts. Schon diese Geschich-
ten sind widerlich genug. Natürlich kann man die Pyra-
miden nicht damit belasten, was übrigens nicht gesagt
zu werden brauchte.
Langsam nehmen wir den staubigen Weg zu dem Pla-
teau hinauf. Es gibt nichts Kindlicheres, als Dinge, die auf
Fernwirkung beruhen, von nahem besehen zu wollen. Na-
türlich muß das Sphärische, ihr einziger Reiz, verloren-
gehen, und sie werden zu behauenen Steinen. Was jetzt
noch imponiert, kann nur das brutale Massenwerk sein.
Eine unsinnige Menge Sklaven hat Jahrzehnte daran ge-
schleppt; ekelhafter Gedanke. Diesmal gibt es wieder eini-
ges Ungeziefer in den Ritzen. Die Reduinen kraxeln in
vier bis sechs Minuten hinauf, und man schließt Wetten
ab, läßt mehrere Ibrahims auf die Cheops los, notiert die
Zeiten. Releibte Touristen brauchen länger. Ein Ibrahim
drückt von hinten, einer zieht von vorn. Unten steht die
Gattin mit dem gezückten Kodak, angstvoll und happig.
Von unserm Hügel blickt man auf die Mischung von
grünem Fruchtland und gelber Wüste und gibt sich dem
Auge hin. Die Gedanken hüpfen über die flimmernden
Wasserlachen, verschlingen die Vegetation, gleiten im
Osten das festungsartige Gebirge aus hellem Kalkstein hin-
auf, und die Seele schwingt sich in das bekannte Rlau.
Übrig bleibt ein bestrahlter Leib in viehischem Rehagen.
Man hält es nicht lange aus, fühlt sich von hinten be-
obachtet. Sechstausend Jahre blicken auf deinen Rücken.
Laß sie blicken! Der Sand da ist noch älter, und selbst in
Kieferstädtl gibt es antidiluvianische Gebilde. Aber nach
unendlichen Zeiten viehischen Daseins entstand die Form.
Furcht erhob sich über das Zittern der Kreatur und wurde
Ehrfurcht, erfand den Gott, der die Willkür brach. Der
Hunger überwand den Darm und wurde geistig, und die
Sehnsucht nach Erkenntnis übersprang die Zeiten und
wagte sich von heute und morgen in die Ewigkeit. Die
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