FARBE UND SCHMINKE
wesen, wendet sich eine Gesetzmäßigkeit, die den Ägyp-
tern nicht entgangen sein kann, sonst hätten sie nie die
Höhe ihrer Plastik erreicht. Wir sprechen im Gemälde
von einer plastischen Wirkung, ohne an Skulpturen zu
denken, und bezeichnen damit die Fähigkeit des Malers,
die Fläche in Raum zu verwandeln. Sobald uns aber der
Maler zwingt, das Plastische wörtlich zu nehmen, hört
der Zauber des Räumlichen auf, und aus der Malerei wird
banale Nachahmung einer anderen Kunst. Ebenso nennen
wir eine gute Plastik flächig, weil sie das räumlich Auf-
gebaute ins Relief verwandelt, und schätzen das male-
rische Spiel des Lichts, ohne an Malerei zu denken. Die
alten Ägypter sind Erfinder dieser Verwandlung. Sie
haben den Bildhauer die Geschlossenheit gelehrt, Grund-
bedingung jeder Plastik. Sie haben diese ganze Kunst ge-
schaffen und zur größten Vollendung gebracht. Soll man
solchen Erfindern Zutrauen, mit einer Hand Vollendung
zu geben und mit der anderen das erreichte Resultat wie-
der in Frage zu stellen? Das müßte angenommen werden,
wenn die Art der Bemalung der beiden überschätzten
Prunkstücke als typisch zu gelten hätte. Natürlich ist es
denkbar. Was läßt sich nicht alles denken! Man kann sich
auch die nachträgliche Überarbeitung eines Freskos durch
die Hand eines rohen Bildhauers vorstellen. Dergleichen
wäre zumal dann denkbar, wenn die Schöpfung in den
Händen weniger Künstler läge, die sich ihrer persönlichen
Vision hingeben und nachher ihre Werke einer Gesell-
schaft überlassen, die mit ihnen nach Belieben verfährt.
Das hat es in Europa gegeben und gibt es noch heute.
Man hat Michelangelo übermalt, hat Rembrandt verstüm-
melt, hat Mosaiken mit Stuck und Stuck mit Tapeten be-
deckt. Und wer weiß, was heute mancher Mäzen, der
malen kann, mit seinem Cezanne und Renoir anstellte,
hielte ihn nicht die Rücksicht auf den Börsenwert seiner
Schätze zurück. In allen diesen Fällen aber ist Kunst und
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wesen, wendet sich eine Gesetzmäßigkeit, die den Ägyp-
tern nicht entgangen sein kann, sonst hätten sie nie die
Höhe ihrer Plastik erreicht. Wir sprechen im Gemälde
von einer plastischen Wirkung, ohne an Skulpturen zu
denken, und bezeichnen damit die Fähigkeit des Malers,
die Fläche in Raum zu verwandeln. Sobald uns aber der
Maler zwingt, das Plastische wörtlich zu nehmen, hört
der Zauber des Räumlichen auf, und aus der Malerei wird
banale Nachahmung einer anderen Kunst. Ebenso nennen
wir eine gute Plastik flächig, weil sie das räumlich Auf-
gebaute ins Relief verwandelt, und schätzen das male-
rische Spiel des Lichts, ohne an Malerei zu denken. Die
alten Ägypter sind Erfinder dieser Verwandlung. Sie
haben den Bildhauer die Geschlossenheit gelehrt, Grund-
bedingung jeder Plastik. Sie haben diese ganze Kunst ge-
schaffen und zur größten Vollendung gebracht. Soll man
solchen Erfindern Zutrauen, mit einer Hand Vollendung
zu geben und mit der anderen das erreichte Resultat wie-
der in Frage zu stellen? Das müßte angenommen werden,
wenn die Art der Bemalung der beiden überschätzten
Prunkstücke als typisch zu gelten hätte. Natürlich ist es
denkbar. Was läßt sich nicht alles denken! Man kann sich
auch die nachträgliche Überarbeitung eines Freskos durch
die Hand eines rohen Bildhauers vorstellen. Dergleichen
wäre zumal dann denkbar, wenn die Schöpfung in den
Händen weniger Künstler läge, die sich ihrer persönlichen
Vision hingeben und nachher ihre Werke einer Gesell-
schaft überlassen, die mit ihnen nach Belieben verfährt.
Das hat es in Europa gegeben und gibt es noch heute.
Man hat Michelangelo übermalt, hat Rembrandt verstüm-
melt, hat Mosaiken mit Stuck und Stuck mit Tapeten be-
deckt. Und wer weiß, was heute mancher Mäzen, der
malen kann, mit seinem Cezanne und Renoir anstellte,
hielte ihn nicht die Rücksicht auf den Börsenwert seiner
Schätze zurück. In allen diesen Fällen aber ist Kunst und
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