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Meier-Graefe, Julius
Pyramide und Tempel: Notizen während einer Reise nach Ägypten, Palästina, Griechenland und Stambul — Berlin, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.27195#0106
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EINE DRITTE FAMILIE

Gemeinde zweierlei. Eins oder einer steht hier, und die
Unverbindlichkeit der anderen steht da. Diese Voraus-
setzung fällt im alten Ägypten fort. Hier hat es Differenzen
in den Leistungen gegeben, kaum vereinsamte Schöpfer.
Dieser Kunst können grobe Inkonsequenzen nicht zuge-
traut werden. Das Dekor braucht nicht uns zu behagen,
aber mußte den Ägyptern gefallen, d. li. ihrem Rhythmus
entsprechen. Das Schachspiel hat überall und in allen
Zeiten die gleichen Gesetze. Der Anstrich des prinzlichen
Paares würde, auf die Reliefs von Sakkara übertragen, die
wesentliche Wirkung dieser bewundernswerten Dekora-
tionen vernichten. So sicher wie dort und an anderen
Stellen wohlerhaltene Farbenreste auf den geordneten Zu-
sammengang von Malerei und Relief schließen lassen, wo-
bei der Graphik des Reliefs die Führung zufiel, so sicher
und erst recht muß in der Rundplastik der Rildhauer dem
Maler vorangestanden haben. Die Farbe hatte nur die er-
gänzende Regleitung zu liefern. Das braucht lebhafte Far-
ben, an die wir uns erst gewöhnen müßten, nicht auszu-
schließen. Nie aber hat die Remalung das Werk der Plastik
travestiert und Kunst in Naturalismus verwandelt. Auch
der Maler muß einem gesetzmäßigen Kanon gefolgt sein.
Vielleicht kommen wir der Wahrheit näher, wenn wir
der Remalung die Rolle des Librettos einer Oper zuschrei-
ben. Nur darf man nicht an Richard Wagner denken;
eher an die Zauberflöte. Wir tun den Ägyptern schwerlich
zu viel Ehre an, wenn wir das raffinierte Gespinst zwi-
schen solchen Texten und solchen Tönen auf ihre Plastik
übertragen. In dem weißen, die Farbe aufsaugenden Kalk-
stein fanden sie ein ideales Material. Es mag ihren
Zwecken so dienlich gewesen sein wie unserer Malerei
der Übergang zur Öltechnik. Man kann sich schwerlich
den Kunstbetrieb dieser Epoche differenziert genug vor-
stellen.

Was also ist mit Rahotep und seiner Frau? Es bleibt

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