Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0020

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
1.3 Fragestellung und Herangehensweise

9

sich solche länderspezifischen und regionalen Unterschiede in der Fürstenklei-
dung manifestierten, ob bzw. in welcher Weise an Reichsfürstenhöfen Moden aus
anderen Ländern übernommen wurden und auf welchen Wegen etwaige vesti-
mentäre Transferprozesse erfolgen konnten - wobei neben der Fürstenkleidung
insbesondere die Entstehung und Verbreitung von Hofgewand und Livree Berück-
sichtigung findet. Dafür ist es indes erforderlich, das Blickfeld über die Grenzen
des Reiches hinaus zu erweitern, Fürsten- und Hofkleidung der Nachbarländer er-
gänzend einzubeziehen und die deutsche Fürsten- und Hofkleidung in ihren euro-
päischen Kontext einzubetten.
Aus dieser Fragestellung ergibt sich eine Reihe von Konsequenzen für die kon-
krete Annäherung an den Untersuchungsgegenstand >Kleidung<, den Zugang zum
Thema >Kleidung bei Hofe< und die Wahl des Untersuchungszeitraums. So hat sich
schon bald, nachdem mit der Arbeit am Quellenmaterial begonnen worden ist, he-
rauskristallisiert, daß spätmittelalterliche höfische Kleidung in ihrer materiellen
Beschaffenheit alles andere als ein klar definiertes Objekt ist und daher zunächst
einmal einer terminologisch-typologischen Klärung bedarf.58 Eine Analyse der
kommunikativen Funktionen von Fürsten- und Hofkleidung muß deshalb bei einer
Verständigung über den Untersuchungsgegenstand selbst ansetzen, denn erst,
wenn die Formen von Kleidung geklärt sind, wenn deutlich ist, worüber man ei-
gentlich spricht, wenn man von >Röcken<, >Hosen<, >Damast<, >Samit< oder >Lasten<
redet, können ihre sozialen Funktionen untersucht werden.
Einem derartig gelagerten Erkenntnisinteresse folgt auch die bewußt getrof-
fene Entscheidung, statt eines in die Tiefe gehenden hofmonographischen Zugangs
einen breit angelegten systematischen Zugang zu Kleidung bei Hofe zu wählen.
Die hofübergreifende Betrachtungsweise ist erforderlich, weil sich insbesondere
das Kleidungsverhalten der Reichsfürsten in seiner Ausrichtung auf bzw. Orientie-
rung an den Standesgenossen inner- und außerhalb des Reiches besser anhand von
Fürstenzusammenkünften wie höfischen Festen oder Reichstagen als anhand ei-
nes einzelnen Hofes greifen und herausarbeiten läßt. Um das Forschungsvorhaben
dennoch arbeitsökonomisch bewältigen zu können, werden mit den Markgrafen
von Brandenburg, den Herzogen von Sachsen und den Grafen von Württemberg
drei Fürstenhäuser eingehender betrachtet, ohne daß diese Fokusierung hieße, an-
dere fürstliche Höfe gänzlich aus dem Blick zu verlieren. Die Gründe für diese
Auswahl sind vielfältig. Zum einen handelt es sich um drei Herrschergeschlechter
unterschiedlichen Gewichts innerhalb des Reichsfürstenstandes, die durch zahlrei-
che Heiraten untereinander eng verbunden waren, zugleich jedoch in Konkurrenz
zueinander standen. Zum anderen waren sie in unterschiedlichen Regionen des
Reiches beheimatet und unterhielten - nicht zuletzt wegen der geographischen
Lage ihrer Territorien - Kontakte und verwandtschaftliche Beziehungen zu Stan-
desgenossen in Polen, Böhmen oder Norditalien. Anhand dieser drei Fürstenhäu-
ser kann somit ein annähernd repräsentatives Bild der Kleidungspraktiken an
Reichsfürstenhöfen sowohl im Hinblick auf deren gesellschaftliche Ordnungs-
funktion als auch im Hinblick auf deren regionale bzw. national-kulturelle Prä-
gung gezeichnet werden.
58 Auf die vage Begrifflichkeit als methodisches Problem und die Schwierigkeiten bei der Inter-
pretation weist auch Page, Vêtir le prince, 1993, S. 19-21 hin.
 
Annotationen