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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0021

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10

1. Einleitung

Daß sich die Arbeit auf die Markgrafen von Brandenburg, die Herzoge von
Sachsen und die Grafen von Württemberg konzentriert, basiert aber ebenso auf
forschungspragmatischen Gesichtspunkten. So zeichnen sich alle drei Häuser in
puncto höfischer Kleidung durch eine verhältnismäßig gute Überlieferungslage
aus, die zum Teil mit Hilfe umfangreicher Quelleneditionen relativ gut zu erschlie-
ßen ist. Auf das württembergische Archivmaterial konnte zudem mit wenig Auf-
wand über das Greifswalder Principes-Projekt zugegriffen werden, in dem syste-
matisch Archivbestände gesichtet, einschlägige Archivalien zur Sozial- und
Kulturgeschichte des spätmittelalterlichen Reichsfürstenstandes gesammelt und in
einer Datenbank verschlagwortet werden.59 Für den sächsischen Hof liegt mit den
Hofgewandverzeichnissen der Hofschneiderei überdies ein außergewöhnlich um-
fangreiches und dichtes Quellenkonvolut vor, das im Archiv leicht zugänglich und
in dieser Form für den deutschen Raum wohl singulär ist. Hinzu kommt, daß für
die Herzoge von Sachsen zahlreiche Portraits überliefert sind, so daß ergänzend zu
den schriftlichen auch bildliche Quellen in die Analyse mit einbezogen werden
können. Dennoch bedarf es immer wieder eines Seitenblicks auf andere Fürsten-
höfe, um die Untersuchung auf ein breiteres Fundament zu stellen. Zu erwarten ist
demnach keine erschöpfende Analyse von Kleidungspraktiken an einzelnen Hö-
fen, wie sie im Rahmen einer hofmonographischen Studie möglich wäre, sondern
eine breit angelegte Untersuchung.
Aus der Fragestellung resultiert schließlich auch die Wahl des Untersuchungs-
zeitraums. Die zeitliche Eingrenzung auf die zweite Hälfte des 15. und die ersten
Jahrzehnte des 16. Jahrhunderts hängt zwar nicht unwesentlich mit der Quellen-
lage zusammen60, findet ihre primäre Begründung aber in dem oben umrissenen,
auf die Ordnungsfunktion von Fürsten- und Hofkleidung abhebenden Fragenkata-
log. Denn gerade im Kontext des tiefgreifenden historischen Wandels, der sich im
Reich zwischen etwa 1450 und 1530 zunehmend beschleunigt vollzieht und seinen
wesentlichen Ausdruck in der prozeßhaften Verdichtung der Reichsverfassung im
Sinne Peter Moraws und der damit einhergehenden allmählichen Herausbildung
landesherrlicher Territorien findet, gewinnen höfische Kleidungspraktiken wegen
ihrer sozialen und politischen Symbolik an Bedeutung für die Visualisierung be-
stehender bzw. sich ändernder gesellschaftlicher Verhältnisse. Die zentrale These
der Untersuchung, daß an Fürstenhöfen grundlegende soziale und/oder politische
Konstellationen in ihren Aushandlungsprozessen eben immer auch in Kleidungs-
praktiken greifbar sind, läßt sich in diesem Zusammenhang in zweierlei Hinsicht
konkreter ausformen: Um 1500 schlägt sich in Kleidung nämlich nicht nur der
Trend zu einer Verfestigung der Rangordnung innerhalb des Reichsfürstenstandes
nieder, sondern in ihr lassen sich ebenso zunehmende fürstliche Hegemonialbe-
strebungen fassen, die mit dem Ausbau von Landesherrschaft einhergehen.

59 Mehr dazu auf www.phil.uni-greifswald.de/bereich2/histin/Is/ma/ma-forschung/principes.
html (20. Februar 2012).
60 Eine breitere Überlieferung von territorialen Hof- und Amtsrechnungen setzt im Reich erst
um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein. Zum Rechnungsbestand deutscher Höfe vgl. Mer-
siowsky. Die Anfänge territorialer Rechnungslegung, 2000; Fouquet, Adel und Zahl, 2000,
S. 10-14.
 
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