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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0033

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2. Von Stoffen und Gewändern

odien und Harnischen seine Kleidung.26 In der Zimmerschen Chronik wird eine
Begebenheit geschildert, der zufolge eine Witwe ein Dorf an Graf Werner von Zim-
mern verkauft habe, um sich von dem Erlös einen blauen Samtrock für den Besuch
eines Turniers schneidern zu lassen.27 Auch wenn solchen Angaben sicherlich im
einen oder anderen Fall das Moment der Übertreibung innewohnt, zeigen sie doch,
daß Gewänder einen erheblichen ökonomischen Wert hatten. Deshalb stellte auch
insbesondere fürstliche Kleidung eine lohnende Kriegsbeute dar.28 Am berühmtes-
ten ist sicherlich die sogenannte Burgunderbeute, die den Eidgenossen nach ihrem
Sieg über die burgundischen Truppen 1476 bei Grandson im Lager Herzog Karls
des Kühnen in die Hände fiel. Unter den eroberten Objekten befanden sich 400
Kisten gefüllt mit seidenen und anderen kostbaren Tüchern sowie mit zahlreichen
goldenen und silbernen Kleidungsstücken, darunter mit Zobel und Hermelin ge-
fütterte goldene Röcke und Mäntel; allein hundert goldene gestickte Röcke gehör-
ten Herzog Karl.29
26 Siehe das Schreiben von Graf Eitelfriedrich von Zollern, Wolfgang von Polheim und Michael
von Wolkenstein an König Maximilian (6. April 1495). Deutsche Reichstagsakten, Mittlere
Reihe, Bd. 5.1.2, bearb. von Angermeier, 1981, Nr. 576, S. 645.
27 Chronik der Grafen von Zimmern, hrsg. von Decker-Hauff, Bd. 1, 1964, S. 199. Thiel, Ge-
schichte des Kostüms, 2004, S. 178, bezieht sich wohl auf eben diese Textstelle. Vgl. auch den
enormen Wert, den nach Schätzung der Berichterstatter ein von Herzog Karl dem Kühnen von
Burgund 1473 in Trier getragener Rock gehabt haben soll. Siehe dazu unten S. 179-180.
28 Vgl. z. B. Die Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg, hrsg. von Keller, 1859, S. 33-
34, S. 39-40; Die Berner Chronik des Diebold Schilling, hrsg. von Tobler, Bd. 2,1901, S. 76.
29 Dazu Die Berner Chronik des Diebold Schilling, hrsg. von Tobler, Bd. 2, 1901, S. 51-54; Die
Geschichten und Taten Wilwolts von Schaumburg, hrsg. von Keller, 1859, S. 32. Vgl. auch
Thiel, Geschichte des Kostüms, 2004, S. 138; Koch-Mertens, Der Mensch und seine Kleider,
2000, S. 158; Kühnei (Hrsg.), Alltag im Spätmittelalter, 1986, S. 246. Aus der betreffenden, im
Berner Archiv erhaltenen Korrespondenz geht hervor, daß die Burgunderbeute aus farbigen
puret und piret, rocken aller färben, mänteln, kappenzipfein, schuoch, hosen, hentschuch, kragen, vii
sidin roeck, 1 langen swartzen gefütreten rock, zwechelen, zwilchen wamsel, 1 alt sidin wamsel, 1
keppli, hüten, 1 tüfelgewand, 1 rock der herzogin von Safoy, sowie 26 Kleider, so zuo Murten unter des
herzogen zaeltfunden und in seek gestossen und von dannen getragen wurden, bestand. Zitiert nach
der kurzen Notiz von Forrer in der Zeitschrift für Historische Waffenkunde 2 (1900-1902),
S. 84. Neue Zelte und Kleidung erhielt Karl der Kühne Diebold Schilling zufolge von der Her-
zogin von Savoyen. Unter anderem lies ouch die herzogin bestellen und ufkoufen alle siden koestli-
chen tuecher in dem ganzen herzogthuom von Safoey und in Pemont und fuort das dem herzogen zuo,
damit er und die sinen sich widerumb mochten becleiden, dann si alle ir koestlichen cleider vor Granson
hatten verloren und gelassen. Die Berner Chronik des Diebold Schilling, hrsg. von Tobler, Bd. 2,
1901, S. 2. Nach der Niederlage, so berichtet Diebold weiter, zoch der herzog von Burgunnen wider
harus in Safoey bis gen Losann, doselbs er ein gros mechtig leger und stark Wagenburg vor der stat sluog,
und was als voi luten in stetten und doerfern und zoch im gros weit zuo. Die herzogin von Safoey was
ouch mit aller ir macht bi im, und hatten gar vii hantwerkslüten bi inen und sunders snider, die tag und
nacht anders nit tatent dann werken, siden- und ander cleider und scharinen, darzuo nüw zeit und an-
ders, wes man dann bedürfte. Ebd., S. 4. (Laut Tobler, Ebd., Anm. 3, S. 4, handelt es sich bei schari-
nen um Kriegsmäntel.) Soweit erhalten geblieben, wird die Kriegsbeute heute im Historischen
Museum in Bern aufbewahrt. Vgl. Wyss (Hrsg.), Die Burgunderbeute, 1969; Deuchler, Die Bur-
gunderbeute, 1963; nun auch Marti, Borchert und Keck (Hrsg.), Karl der Kühne, 2008. Beson-
dere Berühmtheit hat der als >Burgunderrock< oder >Rock Karls des Kühnem bezeichnete Rock
erlangt, der sich aus einem roten Männerrock, einer Seidenschnur mit zwei Quasten als
Gürtel und einem Schultermantel zusammensetzt (bei Deuchler, Die Burgunderbeute, 1963,
Nr. 88, Nr. 89 und Nr. 90, S. 193-203). Schon unmittelbar nach Erscheinen von Deuchlers Kata-
log sind von Fedja Anzelewsky in einer in Waffen- und Kostümkunde 5 (1963), S. 136-139, bes.
S. 137-138, publizierten Rezension Zweifel angemeldet worden, ob der >Burgunderrock< tat-
 
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