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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0041

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30

2. Von Stoffen und Gewändern

den gleichen Begriffen belegt waren, sich jedoch mitunter erheblich voneinander
unterschieden, sondern auch, daß sich die Mode um 1480 grundlegend von engen,
spitz zulaufende, wenig Bewegungsfreiheit gewährenden Formen hin zu weiteren,
runderen Formen wandelte, während die Benennungen überwiegend beibehalten
wurden.63
Der Rock war ein Oberbegriff für Obergewänder64 verschiedener Formen so-
wohl des männlichen als auch des weiblichen Geschlechts, dessen Varianten durch
erklärende Zusätze erläutert werden konnten. Er kann nicht immer klar vom Man-
tel abgegrenzt werden.65 Der modische Männerrock lag relativ eng am Körper an,
wies eine starke Taillierung auf und fiel zumeist kurz aus.66 In den schriftlichen
Quellen begegnen für Fürsten sowohl kurze als auch lange, enge und weite Röcke -
ohne daß aus solchen Bezeichnungen auf deren tatsächliche Länge oder Weite ge-
schlossen werden könnte. Von den verschiedenen Rockformen können zwei an-
nähernd in ihrem Aussehen bestimmt werden. Der desöfteren getragene Leibrock
wies einen eng am Körper anliegenden Rumpfteil auf und besaß eine ausfallende
Schoßpartie, die entweder angeschnitten oder angesetzt sein konnte und eine be-
liebige Länge hatte.67 Eine andere Rockform war der bis zu den Knien reichende
Palt- oder Laltrock, der unterhalb der Taille in tiefe Lalten gelegt war.68 Welche Ge-
stalt das Bruströcklein aufwies, das sich im Besitz Eberhards VI. von Württemberg
befand, ist hingegen unklar. Vielleicht handelte es sich dabei um einen kurzen
Rock, der - dem Leibrock ähnlich - eng am Oberkörper anlag, aber keinen Schoß-
teil besaß.69

63 Ein raffender Überblick über die Entwicklung der Mode im 15. und 16. Jahrhundert wird in
Kapitel 3.1.31, bes. S. 222-225, gegeben. Wegen der immer noch verwirrenden und zum Teil
widersprüchlichen Terminologie schien es ratsam, sich auf wenige kostümkundliche Arbei-
ten zu konzentrieren. Als Ergänzung zum Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung von
Kühnei, auf das sich die folgenden Ausführungen zu Gewandbezeichnungen und -formen
primär stützen (s. o.), wird stellvertretend für die zahlreichen Kostümgeschichten in erster
Linie die Geschichte des Kostüms von Erika Thiel hinzugezogen, die sich durch fachliche Fun-
dierung und Ausführlichkeit ausweist (allerdings ebenfalls mit zum Teil abweichenden Be-
griffsdefinitionen). Wegen ihrer anhaltenden Aktualität wird des weiteren auf die Kostüm-
kunde Der Mensch und seine Kleider von Wiebke Koch-Mertens zurückgegriffen, die jedoch
zum Teil ungenau ist. Da es sich im folgenden um eher einführend-systematisierende, grund-
legend relevante Aspekte von Kleidung handelt, wie sie sich im untersuchten Quellenmaterial
in seiner ganzen Breite niederschlagen und im Laufe der Untersuchung wiederholt Erwäh-
nung finden, wird auf Einzelbelege an dieser Stelle weitgehend verzichtet.
64 Neben der gewählten Klassifizierung von Kleidungsstücken in Über-, Ober- und Unterge-
wänder sind etliche andere Kategorisierungen möglich. Vgl. dazu Schüppert, Bezeichnung,
Bild und Sache, 1988, S. 95.
65 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 211-212. Nach Dihle, Kos-
tümbilder und Rechnungsbücher, 1929, S. 131, bezeichnete der Begriff >Rock< alle Gewänder,
die außer dem Mantel über dem Wams getragen wurden.
66 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 212.
67 Dihle, Kostümbilder und Rechnungsbücher, 1929, S. 132.
68 Thiel, Geschichte des Kostüms, 2004, S. 169; Koch-Mertens, Der Mensch und seine Kleider,
2000, S. 200, wo allerdings der Palt- oder Faltrock als Wams eingeordnet wird.
69 Nach Wilckens, Kleiderverzeichnisse, 1979, S. 39, bezeichnete der Begriff Brust in der Frauen-
kleidung des 16. und 17. Jahrhunderts ein »versteiftes und geschnürtes Leibchen, meist mit
reichem Spitzen- und sonstigem Zierat«. Denkbar wäre auch, daß es eine Art Brustlatz dar-
stellte. Zum Brustlatz siehe unten S. 35-36.
 
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