Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0136

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2.2 Vom Stoff zum Gewand: Die Anfertigung von Kleidung

125

zwangsläufig ein Indiz dafür sein, daß jene so, wie sie waren, von den Erben tat-
sächlich getragen worden sind.
Fürsten und Fürstinnen hinterließen ihre gebrauchten Gewänder nicht nur Fa-
milienmitgliedern, sondern auch kirchlichen Einrichtungen.721 Während die
Schneider diejenigen Kleidungsstücke, die innerhalb der Familie weitergereicht
wurden, bei Bedarf umarbeiteten, waren fürstliche Kleidungsstiftungen an kirch-
liche Einrichtungen häufig explizit an die Auflage gebunden, sie in liturgische Ge-
wänder umzuschneidern. Herzogin Sophia von Jülich vermachte nach ihrem Tod
der Collegiat Kirche zu Duysseldorp [...] unsen schwartzen gulden tabbart sowie dem
Cloister zo dem Aldenberge [...] unser swartzer syden tabbarde eynen ind unsen blaen sy-
den tabbart und verfügte, daß [d]ese vurss. gulden ind syden tabbarde sullen alle vermacht
werden zo gegeren ind koir-rocken, damit den dienst Gotz zo doin.722 Mechthild von Öster-
reich legte in ihrem Testament fest, daß ihre sydin schuhen oder ander sydin klaider an
das Stift Sindelfingen gegeben werden sollten, um meßgewand oder annder ornatt und
getzierd daruß ze machen. Außerdem verfügte sie, daß man uß allen unnsern wüllen
rocken und menteln, die wir nit verschafft haben, [...] och meßgewannd machen und die
tailen und geben solle, wa es am aller notdürftigsten sei. Alle Meßgewänder sollten mit
frankfurter Kreuzern und ihrem Wappen bestickt werden, zu guter gedechtnuß unn-
ser deby gegen Gott nit zu vergessen.723 Auf Wunsch des kurz zuvor verstorbenen
Markgrafen Friedrich II. von Brandenburg ordnete dessen Bruder Albrecht an,
item zu besehen zu dem sneider, der unserm bruder seligen die meßge-
want auß seinen claydern machen sol, das die nicht underdruckt, sun-
der gegeben werd, wo es am bequemsten und notorftigsten ist.724
Fandgräfin Anna von Hessen verschenkte ihre prächtigen, zu Kasein umgeschnei-
derten Gewänder an Klöster und Stifte, um zu verhindern, daß nach ihrem Tod mit
den Kleidungsstücken itelkeit adir mißbrauch getrieben werde.725 Vor diesem Hinter-
721 Wertvolle Kleidungsstücke wurden nicht nur im späteren Mittelalter, sondern auch in der
Frühen Neuzeit oft für den liturgischen Gebrauch an Kirchen verschenkt. Vgl. Basti, Herr-
schaft und Gedächtnis, 2003, S. 290; Fischer, Das Testament der Erzherzogin Mechthild von
Österreich, 1994, Anm. 161, S. 149.
722 Endrulat, Das Testament der Herzogin Sophia von Jülich, 1879, S. 101.
723 Im Unterschied zu den seidenen Meßgewändern, die jeweils mit einem frankfurter Kreuz<
im Wert von drei Gulden bestickt werden sollten, sollten die Meßgewänder aus Wolle mit
frankfurter Kreuzern à einen Gulden geschmückt werden. Fischer, Das Testament der Erz-
herzogin Mechthild von Österreich, 1994, S. 130. Mit den frankfurter Kreuzern waren even-
tuell spezielle, in Frankfurt hergestellte Kaselkreuze gemeint. Ebd., Anm. 161, S. 149. Darüber
hinaus vermachte Mechthild Tücher zur Anfertigung von Meßgewändern an die Klöster
Maulbronn und Hirsau: Item alle sydin tâcher, zu unnserm stul gehörig, sol man in das closter gen
Mulbronn schicken, meßgewand daruß ze machen und zehen guldin, damit crutz darumb ze kouffen.
Deßglich alle sydin wagentücher, zu unnserm wagen gehörig, in das closter gen Hirssow geben, meßge-
wand daruß ze machen und damit och zehen guldin, crutz darum zu kouffen, schicken. Ebd., S. 130.
724 Vgl. die Fertigung Meister Hermans in die Marek (17. Februar 1471). Politische Correspondenz
des Kurfürsten Albrecht Achilles, hrsg. von Priebatsch, Bd. 1, 1894, Nr. 130, S. 212. Friedrich
war am 10. Februar 1471 gestorben. Europäische Stammtafeln, hrsg. von Schwennicke, Bd. 1.1,
2005, Tafel 129.
725 Babendererde, Sterben, Tod, Begräbnis und liturgisches Gedächtnis, 2006, S. 231. Es ist denk-
bar, daß die Fürstin hier auf den Altkleiderhandel anspielt. Vielleicht sollten gerade die Um-
arbeitungen unterbinden, daß die fürstlichen Gewänder ohneweiteres von den beschenkten
 
Annotationen