Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0150

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
2.3 Ein Blick in fürstliche Gewandtruhen

139

Pferd unterwegs war.805 Sowohl von Männern als auch von Frauen getragen, fiel die
Kappe, wenn sie als Reitgewand benutzt wurde, kürzer als üblich aus und er-
streckte sich lediglich bis zu den Knien806, damit sie den Reiter oder die Reiterin
nicht behinderte. Reitrock, Beinlinge und Reitkappe konnten Stoff- und farblich so
aufeinander abgestimmt werden, daß sie ein harmonisches Gewandensemble bil-
deten. Für Johann von Sachsen wurde etwa 1530 aus ein und demselben Tuch eine
komplette Reitmontur, bestehend aus reittrok, capen vnd streyfling, genäht.807
Legten Fürsten und Fürstinnen weitere Strecken zurück, kleideten sie sich in
Reisegewänder. Wenngleich Reit- und Reisekleidung weder sachlich noch begriff-
lich von den Zeitgenossen klar voneinander abgegrenzt wurden808, kam es bei Rei-
segewändern stärker darauf an, daß sie nicht nur bewegungsfreundlich und be-
quem, sondern auch möglichst wetterfest waren. Denn in erster Linie sollten sie
ihren Träger vor dem Staub der Straße und der Witterung schützen. Eine in Schnitt
und Zusammensetzung einheitliche Reisekleidung existierte zwar im späteren
Mittelalter nicht809, aber oft übernahmen Mäntel oder ähnliche Übergewänder diese
Funktion.810 Als Reisemantel wurde bevorzugt die Kappe getragen, und zwar wie
beim Reiten in einer knielangen Variante.811 An Kopfbedeckungen bedienten sich
beide Geschlechter der Gugel812; die Damen wichen bisweilen auf die schattenspen-
denden Damenhüte aus, über die zusätzlich Schleier geworfen werden konnten.813
Einen Eindruck davon, wie männliche Reisekleidung ausgesehen haben konnte,
vermittelt ein Bild Hans Holbeins des Älteren von Maximilian I. Es zeigt den Kaiser
in einem schlichten, bis zu den Knöcheln reichenden Übergewand, das in der Taille
mit einem Schwert gegürtet ist. Gegen Sonne, Regen und Staub wird sein Gesicht
mit einem einfachen, vorne breitkrempigen Hut und einer Gugel geschützt.814
Während fürstliche Reitkleidung, wie oben gezeigt, sowohl aus hochwertigen
Seidenstoffen als auch aus mehr oder weniger feinen Wollgeweben angefertigt
wurde, benutzten die Hofschneider für die Herstellung von Reisegewändern allem
Anschein nach eher robuste, festere Stoffe. Die Verwendung leichter Seidenstoffe
hätte nicht nur dem eigentlichen Zweck dieser Kleidungsstücke, Schmutz und Wit-
805 Die Zimmersche Chronik berichtet, daß ein Narr Wilhelm Werner von Zimmern Läuse in die
reitkappen gesetzt haben soll, weil dieser ihn nicht mit auf eine Reise in die Schweiz habe neh-
men wollen. Chronik der Grafen von Zimmern, hrsg. von Decker-Hauff, Bd. 2,1967, S. 135.
806 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 208, S. 129.
807 StA Coburg, LA A Nr. I960, fol. 21r.
808 Eine Differenzierung in Reit- und Reisekleidung, wie sie im Kühnei'sehen Bildwörterbuch der
Kleidung und Rüstung vorgenommen wird, konnte anhand der untersuchten schriftlichen
Quellen nicht nachvollzogen werden; begrifflich läßt sich dort nur Reitkleidung fassen, wo-
hingegen Reisekleidung keinen terminologischen Niederschlag gefunden hat.
809 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 207.
810 So kam Karl IV. auf seiner Reise zum französischen König kurz vor Weihnachten 1377 in Man-
tel und Hut aus grauem Stoff in Cambrai an. Auch Wenzel soll in grauen Reisegewändern
eingetroffen sein. Bojcov, Der diskrete Charme der Herrschaft, 1997, S. 44; Keupp, Die Wahl
des Gewandes, 2010, S. 259-260.
811 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 129; Lexer, Mittelhoch-
deutsches Handwörterbuch, Bd. 1,1872, Sp. 1513-1514.
812 Laut Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 93, fand die Gugel
nach 1400 »nur mehr als Reise-, Jagd- und bäuerliche Kopfbedeckung« Verwendung.
813 Ebd., S. 123.
814 Siehe Abb. 23. Ludolphy, Lriedrich der Weise, 1984, S. 82, Anm. 51, charakterisiert diese Auf-
machung nicht als Reise-, sondern als Reitgewand.
 
Annotationen