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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0174

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3.1 Die Kleidung der Reichsfürsten

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Gruppe so wichtigen Anerkennung seitens der anderen Fürsten zu versichern. Zu
regelrechten Kristallisationspunkten wurden dafür ihre Auftritte vor den Standes-
genossen.
Weil sich das Prestige eines Fürsten und damit sein Rang ganz wesentlich
nach seinem Auftreten bemaß, wurden Rangfragen bzw. Rangordnung bei persön-
lichen Begegnungen primär auf einer symbolischen Ebene verhandelt. Immer wie-
der entzündeten sich Streitigkeiten vor allem an Sitz- und Tischordnungen, an Auf-
stellungen bei Prozessionen, an der Größe des Gefolges, an Reihenfolgen bei
Reiterzügen und dergleichen mehr.5 Derartige Rangkonflikte stellten mitnichten
belanglose Formalia-Geplänkel dar, mit denen »viel Zeit vertan« wurde6, sondern
waren essentiell für die Herausbildung einer tatsächlichen Hierarchie innerhalb
des Reichsfürstenstandes und spiegelten somit die Verfassungswirklichkeit wider.7
Deswegen wurden sie auch nicht selten mit harten Bandagen ausgetragen.8
Vor diesem Hintergrund wird die außerordentlich hohe Relevanz von Klei-
dung ersichtlich, die - gewissermaßen als >Medium der Selbst- und Fremdveror-
tung< (Keupp) par excellence - eine vorzügliche Möglichkeit bot, um sich gegen-
über den Standesgenossen zu behaupten oder auszuzeichnen, und daher in
fürstlichen Aushandlungsprozessen um Prestige und Rang eine zentrale Funktion
übernahm. Sie eignete sich dafür nicht nur in besonderer Weise, weil sie unmittel-
bar mit ihrem Träger verbunden war, sondern auch weil sie, wie Kapitel 2 gezeigt
hat, ein schier unendliches Spektrum an Distinktionsmerkmalen offerierte.
Daß Fürsten und Fürstinnen im Ringen um Ansehen und Vorrang aus diesem
Fundus in der Tat reichlich schöpften, um sich gegenseitig durch aufwendige und/
oder originelle Gewandkreationen zu beeindrucken, offenbart schon ein flüchtiger
Blick in spätmittelalterliche Berichte und chronikalische Notizen über höfische
Festlichkeiten, in denen häufig die Kleidung der Anwesenden geschildert wird.
Mal mehr, mal weniger ausführlich gehalten zeugen solche Kleidungsbeschreibun-
gen von der grundlegenden Bedeutung, die die Zeitgenossen Bekleidungsweisen
beimaßen - und zwar in zweierlei Hinsicht: zum einen liefern sie Hinweise auf das
Kleidungsverhalten von Reichsfürsten und Reichsfürstinnen bei konkreten Ereig-
nissen und führen so unmittelbar vor Augen, welchen Aufwand Fürsten und Fürs-
tinnen bei repräsentativen, festlichen Gelegenheiten hinsichtlich ihrer Garderobe
betrieben; zum anderen kann allein schon der Umstand an sich, daß Chronisten oft
ihr Augenmerk auf Kleidung legen, teilweise gar Kleidungsschilderungen weite
Passagen in ihren Texten einräumen, daß Kleidung überhaupt so stark thematisiert
wird und daß es ein dichtes Beschreibungsvokabular dafür gibt, als Indiz für die
generelle Wertigkeit von Kleidung sowie die Wichtigkeit gewertet werden, die die-
5 Vgl. Spieß, Rangdenken und Rangstreit, 1997.
6 So Ludolphy, Friedrich der Weise, 1984, S. 139-140, Zitat S. 140.
7 Spieß, Rangdenken und Rangstreit, 1997, S. 43, S. 56-57; ausführlich Stollberg-Rilinger, Des
Kaisers alte Kleider, 2008.
8 Während des Krönungsmahls für Karl VI. 1380 in Reims kam es fast zu einer Prügelei zwi-
schen dem Gefolge Ludwigs von Anjou und den Anhängern Philipps des Kühnen, die beide -
der eine als ältester Oheim, der andere als erster Pair des Reiches - Anspruch auf den Ehren-
platz neben dem König erhoben. In Schlägereien artete das Platznehmen bei einem Bankett
aus, welches für eine englische Gesandtschaft gegeben wurde. Cartellieri, Am Hofe der Her-
zoge von Burgund, 1926, S. 66 mit entspr. Anm. auf S. 274. Weitere Beispiele Ebd., S. 67, und bei
Spieß, Rangdenken und Rangstreit, 1997, S. 53-54.
 
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