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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0175

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3. Dresscodes und ihre Entschlüsselung

ses Sujet für zeitgenössische Beobachter wie Teilnehmer gleichermaßen besessen
hat. Das gilt besonders für Festbeschreibungen, deren Funktion hauptsächlich da-
rin bestand, den abwesenden, weil verhinderten Auftraggeber über den Gang des
Festes, die geladenen Gäste, die Ausstattung der Örtlichkeiten etc. umfassend zu
informieren, und die daher bewirkten, daß die von Angesicht zu Angesicht in Au-
genschein genommene Garderobe zumindest der wichtigsten fürstlichen Festteil-
nehmer über den Kreis der auf dem Fest persönlich Anwesenden hinaus bekannt
wurde.
Wohl an kaum einer anderen höfischen Festivität des späteren 15. und frühen
16. Jahrhunderts lässt sich das fürstliche Bemühen um vestimentäre Distinktion so
gut nachvollziehen wie an der berühmten, gut dokumentierten Landshuter Fürs-
tenhochzeit von 1475, an der eine ganze Reihe illustrer Gäste, darunter Kaiser
Friedrich III. und sein Sohn Maximilian, teilnahmen.9 Gleich zwei umfangreichere
Augenzeugenberichte, die von der Vermählung Herzog Georg des Reichen von
Bayern mit der polnischen Königstochter Hedwig überliefert sind, enthalten um-
fassende und detaillierte Nachrichten über die Kleidung der beteiligten Gastgeber
und Gäste. Der eine stammt vom Klosterschreiber Hans Seyboldt und wurde ver-
mutlich von einem Thoman Jud von Bruckberg in Auftrag gegeben, der offenbar
Verbindungen zum gastgebenden Landshuter Fürstenhaus unterhielt.10 Den ande-
ren verfasste der Schreiber Hans Oringen, der an der Hochzeitsfeier zwar im Ge-
folge Markgraf Albrechts von Brandenburg teilnahm, den Bericht aber wohl auf
Wunsch des geladenen, jedoch nicht anwesenden Herzogs Ernst von Sachsen an-
fertigte.11 Beide befassen sich mit Kleidung als Mittel fürstlicher Repräsentation
und als Prestigeobjekt, wenngleich Hans Oringen sie ungleich stärker in den Blick
nimmt.12
Die in den Berichten enthaltenen Beschreibungen der Fürstengewänder stellen
zwar nur eine Momentaufnahme dar, sind bei weitem nicht vollständig und sparen
manches Gewandensemble bedauerlicherweise aus. Insgesamt aber vermitteln sie
doch eine plastische Vorstellung davon, wie sich Fürsten und Fürstinnen anläßlich
von Hochzeiten kleideten und auf welche Distinktionsstrategien sie dabei zurück-
griffen.
Eine bestand allem Anschein nach darin, sich während des mehrtägigen
Festes wiederholt umzukleiden. Viele anwesende Fürsten präsentierten sich jeden-
falls - die Turnierkleidung nicht mitgerechnet - an drei Tagen in drei verschiede-
nen Gewandensembles. Als die Braut vor den Toren der Stadt empfangen, nach
9 Vgl. ausführlich zu den Quellen Bauer, Feiern unter den Augen der Chronisten, 2008.
10 Dazu Ebd., S. 14-18. Leonhard und Thoman die Juden werden auch auf der von Seyboldt verzeich-
neten Gästeliste in der Rubrik gnedigen Herrn Hertzog Ludwigs Diener Räte vnd lanndtsässen
aufgeführt. Ebd., S. 16.
11 Vgl. Ebd., S. 18-21. Der Text ist nun neuerlich ediert Ebd., S. 247-267.
12 Seyboldt geht es vor allem darum, das Prestige des Hauses Bayern-Landshut zu mehren, wes-
halb er seine Festbeschreibung in erster Linie auf die Brautleute und den Gastgeber Ludwig
den Reichen von Bayern-Landshut konzentriert und, nicht zuletzt anhand von Einladungslis-
ten, Tischordnungen usw., besonders den organisatorischen und finanziellen Aufwand der
Feier herausstreicht. Oringen dagegen schildert hauptsächlich Statussymbole, Verhaltens-
und Bekleidungsweisen und berücksichtigt dabei alle anwesenden Fürsten. Ebd., S. 216, auch
S. 101, S. 192, S. 131-132.
 
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