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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0209

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3. Dresscodes und ihre Entschlüsselung

Stellungen von fürstlichen Witwen210 zeigen diese vorwiegend in ungegürteten,
wallenden, Stoff- und faltenreichen Gewändern, die oben hoch geschlossen waren
und unten bis auf den Boden hinabfielen. Farblich waren die Kleidungsstücke oft-
mals in Schwarz oder aber ähnlich düsteren Farben wie dunklen Blau- oder Blau-
Grüntönen gehalten.211 Auch auf übermäßige Verzierungen wurde allem Anschein
nach weitgehend verzichtet.212 Einen festen Bestandteil der Witwentracht stellte da-
neben die sogenannte Witwenbinde (oder -haube) dar, eine zumeist weiße213, aus
Tüchern und/oder Schleiern bestehende Kopfbedeckung, welche um den Kopf ge-
wickelt und mit dem Gebende - d. h. in diesem Zusammenhang einer Kombination
aus einem Kinnband und einem steifen, wie eine Kappe auf den Kopf gelegten
Band - ergänzt wurde.214
Da infolge des hochadeligen Heiratsverhaltens, bei dem die Frauen zumeist
deutlich jünger als ihre Ehemänner waren, nicht wenige Fürstinnen ihren Gemahl
überlebten, boten (Bilder von) Frauen in Witwentracht an Fürstenhöfen im ausge-
henden Mittelalter einen vertrauten Anblick.215 Markgräfin Anna von Brandenburg
210 In den letzten Jahren ist eine Reihe von Untersuchungen zu fürstlichen und (hoch-)adeligen
Witwen in der Vormoderne erschienen, vgl. Birkmeyer, Aspekte fürstlicher Witwenschaft im
15. Jahrhundert, 2004; Schattkowsky (Hrsg.), Witwenschaft in der Frühen Neuzeit, 2003; Schä-
fer, Handlungsspielräume hochadeliger Regentinnen, 2004 (mit einer ausgezeichneten Über-
sicht über den Forschungsstand); Feonhard, Niederhäuser, Zwischen Autonomie und Einbin-
dung, 2003; Welzel, Die Macht der Witwen, 2000; Ward, Noblewomen, Family, and Identity,
2000; Scholz, Ferlein (Hrsg.), Fürstliche Witwen, 1987. Siehe ferner Jussen, Der Name der
Witwe, 2000; Cavallo, Warner (Hrsg.), Widowhood in Medieval and Early Modern Europe,
1999; Mirrer (Hrsg.), Upon my husband's death, 1992; Opitz, Emanzipiert oder marginalisiert?,
1991. Witwen im Spiegel hagiographischer Texte des 13. und 14. Jahrhunderts behandelt Opitz,
Frauenalltag im Mittelalter, 1985, S. 213-233.
211 Dagegen kleideten sich die französischen Königinnen nach dem Tod ihrer Ehemänner seit
dem 13. Jahrhundert in weiße Witwengewänder, weshalb man sie auch >reines blanches<
nannte. Alexandre-Bidon, La Mort au Moyen Age, 1998, S. 168; Piponnier, Mane, Se vêtir, 1995,
S. 138; Pastoureau, Les couleurs de la mort, 1993, S. 99; Nixdorff, Müller, Weiße Westen - Rote
Roben, 1983, S. 96. Unter den Florentiner Witwen erfreute sich im 15. Jahrhundert gar ein ge-
deckter Braunrot-Ton (monachino - ein Begriff, mit dem sowohl die Farbe als auch ein Stoff in
dieser Farbe bezeichnet wurde) als Farbgebung für die Witwentracht größerer Beliebtheit.
Friedrich, Zur Farbgebung, 1973, S. 129. Zu unterschiedlichen Trauerfarben und -kleidung vgl.
auch Kapitel 3.2.1.4.
212 An der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit folgten die wohlhabenden Witwen in den Städten
diesem bei Hofe gängigen Brauch und sahen ebenfalls davon ab, ihre schwarze Witwenklei-
dung mit den ansonsten üblichen Schmuckbändern und Kleinodien zu dekorieren. Alexan-
dre-Bidon, La Mort au Moyen Age, 1998, S. 168.
213 Im Anschluß an Wackernagel interpretieren Nixdorff, Müller, Weiße Westen - Rote Roben,
1983, S. 97, das Weiß in der mittelalterlichen Witwenkleidung als Zeichen für Keuschheit.
214 Kühnei (Hrsg.), Alltag im Spätmittelalter, 1986, S. 233-234; Alexandre-Bidon, La Mort au
Moyen Age, 1998, S. 169; Piponnier, Mane, Se vêtir, 1995, S. 138. Bei Kühnei (Hrsg.), Bildwörter-
buch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 39, wird der unter dem Hauptschleier getragene
Schleier, der bei Witwen (und Nonnen) Hals, Ohren und Kinn verhüllt, als >Brustschleier< be-
zeichnet.
215 Der Altersunterschied zwischen den Ehepartnern vergrößerte sich nochmals, wenn wegen
eines ausbleibenden Nachfolgers eine zweite Ehe eingegangen wurde. Infolgedessen verwit-
weten einige Fürstinnen im Laufe ihres Lebens gleich mehrfach. Spieß, Witwen Versorgung im
Hochadel, 2003, S. 87; Ders., Familie und Verwandtschaft, 1993, S. 414-424. Daß Witwenschaft
zu den alltäglichen Erfahrungen gehörte und fürstliche Witwen keineswegs eine marginale
Gruppe darstellten, zeigt für den Reichsfürstenstand zwischen 1200 und 1600 die statistische
Auswertung der Stammtafeln von Spieß, Witwenversorgung im Hochadel, 2003, bes. S. 87-91.
 
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