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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0231

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220

3. Dresscodes und ihre Entschlüsselung

prinzipiell abgaben, schufen aber ein hierarchisches Gefüge zwischen den Brü-
dern, in dem jeder einzelne einen bestimmten Platz zugewiesen bekam. Im Gegen-
satz zu den Jungen erhielten die Mädchen bemerkenswerterweise tatsächlich iden-
tische Kleidungsstücke.
Da sich vergleichbare schriftliche Nachrichten über die Kleidung von Fürsten-
söhnen im durchgesehenen Quellenmaterial nicht haben finden lassen, ist schwer
abzuschätzen, ob der Dresscode der einheitlichen Geschwisterkleidung analoge,
auf die Gestaltung der Gewänder abzielende Ausprägungen auch an den Fürsten-
höfen im Reich fand. Bei der Betrachtung von Familienbildnissen sticht jedenfalls
ins Auge, daß zuweilen Fürstentöchter in identischen Gewändern, Fürstensöhne
dagegen in gleichförmigen Kleidungsstücken mit vestimentären Distinktionen
dargestellt werden. Auf dem Heilsbronner Stifterbild sind etwa acht der Söhne des
Fürstenpaares Friedrich und Sophia von Brandenburg in roten Mänteln zu sehen,
die alle lang und stoffreich sind, aber über verschiedene Kragen und Futter verfü-
gen und dadurch eine Hierarchie schaffen.319 Bei zwei Jungen bestehen sowohl der
Kragen als auch das Innenfutter aus Hermelin, zwei andere tragen Mäntel mit ei-
nem hell-gräulichen Pelzkragen und -futter, und drei weitere von ihnen sind in
Mäntel mit Kragen und Futter aus grünem Stoff gekleidet. Der achte sticht aus der
Gruppe unterdessen dadurch hervor, daß sein Mantel als einziger mit braunem
Pelz unterlegt ist und zudem einen leicht abgewandelten Schnitt besitzt; von den
offenbar gleichförmig geschnittenen Gewändern seiner sieben Brüder unterschei-
det sich sein Mantel durch einen opulenteren Faltenwurf und weitere Ärmel. Von
den Brüdern wird er nicht nur dadurch abgehoben, daß er kein vestimentäres Pen-
dant hat, sondern auch und vor allem durch die Art der Mantelausstattung. Die
Verarbeitung von Zobel (denn um solchen wird es sich höchstwahrscheinlich bei
dem braunen Pelz handeln), d. h. einem Pelz, welcher nach damaligen Wertmaßstä-
ben bisweilen noch vor Hermelin rangierte320, sowie obendrein die Verarbeitung
von mehr rotem Stoff, die der weitere Schnitt erfordert, machen seinen Mantel kost-
barer als die Mäntel seiner Brüder und weisen ihn - einmal qualitativ, einmal quan-
titativ - als Ranghöchsten der acht Söhne und somit als vorgesehenes künftiges
Familienoberhaupt aus. Die Töchter des Paares werden hingegen ebenso wenig ve-
stimentär unterschieden wie die drei weltlichen Töchter Christophs und Ottilies
von Baden, die auf der Votivtafel der markgräflichen Familie alle drei exakt den
gleichen gold-gelben Rock tragen.321
Im Bild zeichnet sich demnach bisweilen bei der Ausstattung gleichförmiger
Gewänder deutscher Fürstenkinder jene geschlechtsspezifische Eigenheit ab, die
für französische Höfe belegt ist. Die Jungen tragen fein nuancierte Kleidungs-
stücke, wohingegen die Gewänder der Mädchen keine feinen Abstufungen aufwei-
sen. Sie findet ihre Begründung zweifellos in der unterschiedlich stark ausgepräg-
ten familialen Rollenverteilung von Söhnen und Töchtern. Denn anders als bei den
Mädchen, deren Bestimmung für ein Leben im Kloster oder als Ehefrau vergleichs-
weise problemlos den Umständen angepasst und geändert werden konnte, hatte
319 Siehe Abb. 24.
320 Delort bezeichnet Zobel gar als »la reine incontestée des fourrures«. Delort, Le commerce des
fourrures, 1978, S. 156, sinngemäß auch S. 161.
321 Siehe Abb. 26.
 
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