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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0245

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3. Dresscodes und ihre Entschlüsselung

kanntgabe der Liga von Venedig 1495. Anläßlich dieses Friedensschlusses wurde in
Venedig an Palmarum ein Fest veranstaltet, zu dem unter anderem eine Messe, die
ein Gesandter des Papstes abhielt, und anschließend eine Prozession der Signorie
und der Gesandten über den Marcusplatz gehörten. Dem Anlaß entsprechend wa-
ren sowohl die Signorie als auch die Gesandten festlich gekleidet. Bemerkenswert
ist in diesem Zusammenhang jedoch, daß mehrere Gesandte - zumindest die Deut-
schen - ihre karmesinsamtene Kleidung offenbar von der Signorie erhalten hatten;
außerdem trugen alle ihre Diener neue, aber für deutsche Verhältnisse sehr kurze
Gewänder.398 Warum die Signorie gerade den deutschen Gesandten Kleidung gab,
bleibt unklar. Denkbar wäre, daß die Deutschen nicht mit einem Fest gerechnet
hatten und deshalb keine passende Kleidung mitgebracht hatten. Doch unabhän-
gig davon, ob die Austeilung der Kleidung aus rein praktischen oder aus anderen
Gründen erfolgte, ist wahrscheinlich, daß die Deutschen die italienischen Gewän-
der mit nach Hause nahmen. Inwieweit sie sie dort dann tatsächlich auch getragen
oder gar nachgeschneidert haben, steht wiederum auf einem anderen Blatt.
Eine nicht zu unterschätzende Bedeutung kommt im Zusammenhang mit der
Verbreitung von Moden auch den Reichstagen in der zweiten Hälfte des 15. und der
ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts zu.399 Auch auf ihnen waren zum Teil Fürsten aus
anderen Ländern zugegen wie Herzog Philipp von Burgund, welcher 1454 nach
Regensburg reiste.400 Häufiger jedoch wurden Gesandte zu den Treffen geschickt,
die über die Geschehnisse berichteten. So entsandte die Kurie Francesco Tode-
schibi-Piccolomini als päpstlichen Legaten 1471 zum Reichstag nach Regensburg,
dessen Sekretär Agostino Patrizi einen Bericht über die Anreise der päpstlichen
Delegation und die Ereignisse bis zur Eröffnung des Reichstags verfasste.401 Beson-
deres Augenmerk legte Patrizi offenbar auf den Einzug Kaiser Friedrichs III. in Re-
gensburg am 16. Juni, den er anschaulich beschreibt: Vorweg ritten paarweise vier
mit Lanzen und Helmen gerüstete Knaben, die die spitz zulaufende Fahne mit sich
führten. Danach folgten im Zug die mit Schwertern bewaffneten nobiliores zu dritt
nebeneinander in vier Reihen, und zum Schluß kamen die Gefolge der Adeligen
und die Abordnungen der Städte. Alle trugen Heuken und kurze, geschlitzte Klei-
dung, unter der Harnische und Panzerhemden durchschimmerten.402 Die Gefolge
der Herzoge von Bayern, des Erzbischofs von Mainz, des Bischofs von Eichstätt und
des Bischofs von Speyer waren rot gekleidet, die Gefolge der Markgrafen von Bran-
denburg und des Bischofs von Trier trugen schwarz, das Gefolge des Kaisers und
die Abordnungen der Städte erschienen in verschiedenen Farben.403 Daß Patrizi von
diesem prächtigen Einzug beeindruckt gewesen zu sein scheint, legt die detaillierte
398 Commynes, Mémoires, hrsg. von Blanchard, 2001, S. 567.
399 Zum Reichstag vgl. Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider, 2008; Moraw, Versuch über die
Entstehung des Reichtstags, 1995; Ders., Zu Stand und Perspektiven der Ständeforschung, 1995.
400 Paravicini, The Court of the Dukes of Burgundy, 1991, S. 92.
401 Der Bericht umfasst den Zeitraum vom 19. Februar bis zum 23. Juni 1471.
402 Alles bei: Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 22.2, hrsg. von Wolff, 1999, S. 472-473.
Patrizi spricht von lacernis. Lacerna bezeichnet einen »kurzefn] mantelartigejn], vorne offenefn]
Überwurf (auch über der Toga oder einem anderen Gewand getragen), durch eine[n] Knopf
oder eine Spange (fibula) am Hals zusammengehalten, außerdem mit einer Kappe versehen,
der über den Kopf gezogen werden konnte.« Georges, Ausführliches Lateinisch-Deutsches
Handwörterbuch, Bd. 2,1998, Sp. 526. Diese Beschreibung trifft auf die Heuke zu.
403 Deutsche Reichstagsakten, Ältere Reihe, Bd. 22.2, hrsg. von Wolff, 1999, S. 472-473.
 
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