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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0294

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3.2 Die Kleidung bei Hofe

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unterstrichen, kam die Gugel doch außerhalb der Trauergewandung, deren integ-
raler Bestandteil sie bis in die zweite Hälfte des 16. Jahrhunderts blieb, bereits um
1500 mit dem verstärkten Aufkommen der Barette aus der Mode.681 Inwiefern sich
in dem augenscheinlichen Verzicht auf eine modische Aktualisierung von Trauer-
kleidung ein gewisses Unbehagen angesichts einer im Kontext des Totengedenken
als pietätlos und zu frivol empfundenen körperbetonten Kleidung Bahn brach oder
gar eine Abkehr von der Welt im Moment des Trauerns versinnbildlicht wurde,
wäre zu überlegen. Wie es scheint, schützte jedenfalls die tief ins Gesicht gezogene
Gugel den Trauernden vor neugierigen Blicken und gewährte so zumindest ein
Minimum an Privatheit bei einer höchst öffentlichen Angelegenheit.682 Ungeachtet
dessen besaßen die traditionellen Schnitte, durch die sich höfische Trauerkleidung
offenbar ausgezeichnet hat, einen äußerst praktischen Vorteil: lange, weitere Trau-
ergewänder, insbesondere -mäntel konnten problemlos über die normale Kleidung
gezogen werden, wodurch die Anfertigung eines ganzen Sets schwarzer Trauerge-
wänder überflüssig wurde und sich Kosten sparen ließen.
Nachdem über weite Strecken des Mittelalters hinweg selbst im Adel keine
allgemeine, charakteristische Trauergewandung existiert hatte683, wurde spätestens
um 1500, wenn nicht schon vorher die Trauer um einen verstorbenen Fürsten im
Reich durch eigens für diesen Zweck vorgesehene, typische Kleidungsstücke zum
Ausdruck gebracht, die zwar nicht alle gleich, wohl aber ähnlich und deshalb als
Trauergewänder erkennbar waren.684 Wie sehr das Tragen von spezifischen Gewän-
dern mittlerweile zum festen Bestandteil höfischer Trauerkonventionen geworden
war, zeigt sich unter anderem daran, daß Trauerkleidung nun auch zunehmend als
solche benannt wurde. Am gebräuchlichsten scheint der Begriff Klagkappe gewesen
zu sein, doch daneben finden sich weitere Bezeichnungen wie Leidrock oder die
Wendung in der clag, die auf Trauerkleidung verweisen.685 In einer Beschreibung des
681 Im Laufe der zweiten Jahrhunderthälfte wird die Trauergugel dann durch einen Trauerhut
ersetzt. Nienholdt, Vom Pagenkleid, 1972, S. 11. Vgl. auch die Chronik der Grafen von Zim-
mern, hrsg. von Decker-Hauff, Bd. 3,1972, S. 193, wo ein trauernder wohlhabender Bauer Er-
wähnung findet: er trueg ain klaghuet ufund ain schwarzen mantel.
682 Auch Nienholdt, Vom Pagenkleid, 1972, S. 11, weist darauf hin, daß die Trauergugel den Kopf
vollständig verhüllte und weit über das Gesicht vorgezogen getragen wurde. Laut Thiel, Ge-
schichte des Kostüms, 2004, S. 171, verfügte die Trauergugel über eine lange Sendelbinde und
verdeckte das Gesicht fast vollständig.
683 Pastoureau betont, daß sich die Praxis, Trauer in Form spezifischer, wie auch immer gearteter
Kleidung zu tragen, im okzidentalen Mittelalter sehr langsam entwickelt und lange Zeit aus-
schließlich den Adel betroffen hat. Er vermutet, daß sie um das Jahr 1000 in Spanien entstan-
den und von dort aus ganz allmählich Richtung Norden vorgedrungen ist. Pastoureau, Les
Couleurs de la Mort, 1993, S. 103. Piponnier, Les étoffes du deuil, 1993, S. 136, geht ebenfalls
davon aus, daß die Ursprünge der mittelalterlichen schwarzen Trauerkleidung in Spanien
liegen, datiert sie jedoch auf das Ende des 13. Jahrhunderts.
684 Kühnei (Hrsg.), Bildwörterbuch der Kleidung und Rüstung, 1992, S. 271-272, hebt allgemeiner
ebenfalls auf schwarze Farbe und vereinzelt getragene signifikante Trauerhauben oder Kap-
pen als im späten Mittelalter aufkommende Charakteristika der Trauergewandung ab, ver-
kennt bei dem Hinweis, daß es im Mittelalter keine »allgemeine Trauerkleidung, gekenn-
zeichnet durch Einheitlichkeit von Art und Schnitt des Gewandes oder der Kleiderfarbe«,
gegeben habe, allerdings die Gleichartigkeit höfischer Trauergewänder im ausgehenden 15.
und beginnenden 16. Jahrhundert.
685 Schwarze Clagmäntel, d. h. zumeist halb- oder bodenlange ärmellose Umhänge mit einem
glockigen Schnitt, die laut Czerny, Der Tod der bayerischen Herzoge, 2005, S. 522, im ausge-
 
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