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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0299

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288

3. Dresscodes und ihre Entschlüsselung

ihrem landesherrlichen Regiment sichtbar Aus- und Nachdruck zu verleihen.706 Der
Versuch, durch die Reglementierung des alltäglichen Hofgewands Herrschaft aus-
zuüben, schimmert auch in einigen Hofordnungen aus der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts durch, in denen verbindliche Regeln zum Umgang mit der Hof-
kleidung schriftlich fixiert wurden. Fürst Johann von Anhalt verfügte etwa in einer
Hofordnung 1546, wahn wir reißen, so wollen wir, das diejenigen, so mit uns reutten, un-
ser hofgewandt, winter[-] und sommerclaidung, wie wir das geben, und kain andere clai-
dung fueren sollten.707 In einer Hofordnung des Landgrafen Wilhelm IV. von Hessen,
die aus dem Jahre 1570 stammt, wurde festgelegt, daß ein jeder die cleidunge, so zu
Hoff gegeben wirdet, uff sich und seine Diener machen laßen und das Tuch oder Farbe nit in
altte cleider verwechseln, verkeuffen oder verpartiren sollte.708 Die Notwendigkeit einer
formalen Regelung, wie sie in diesen Hofordnungen aufscheint, verdeutlicht zum
einen, wie sehr Fürsten daran gelegen war, Herrschaftsansprüche über die Hofklei-
dung durchzusetzen; sie verdeutlicht aber auch, daß diese Durchsetzung offenbar
alles andere als selbstverständlich war und wohl nur unter Androhung von Strafe
gelingen konnte. Jedenfalls legen die Regelungen nahe, daß es immer wieder Zuwi-
derhandlungen gegeben hat.
Durch und wegen der Codierung als Kennzeichen für Hofzugehörigkeit
konnte die Livree eine Wirkmächtigkeit entfalten, die im Zuge der wachsenden
Hegemonialbestrebungen der Fürsten mehr und mehr politisch relevant wurde.
Bediente sich ein Fürst einheitlicher Kleidung zunächst vorwiegend, um sein mo-
netäres, soziales und politisches Kapitel - und damit nicht zuletzt seine militäri-
sche Potenz - vor allem mit Blick auf die Standesgenossen sichtbar zur Geltung zu
bringen, wurde die vestimentär nach außen angezeigte Bindung der adeligen Kli-
entel an den Hof immer stärker mit fürstlichen Herrschaftsansprüchen gegenüber
den Livree tragenden Grafen und Herren verknüpft. Im Kontext der zunehmend
vorangetriebenen Konsolidierung der Landesherrschaft erweist sich das einheitli-
che Hofgewand somit nicht einfach nur als ästhetisches Moment, sondern als regel-
rechtes politisches Gestaltungsmittel.

706 Siehe oben S. 263-264.
707 Deutsche Hofordnungen, hrsg. von Kern, Bd. 2,1907, S. 26.
708 Ebd., S. 90.
 
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