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Frieling, Kirsten O.; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Sehen und gesehen werden: Kleidung an Fürstenhöfen an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit (ca. 1450 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 41: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34757#0298

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3.2 Die Kleidung bei Hofe

287

einigem Recht annehmen, daß die hennebergische Gesandtschaft schließlich im
herzoglich-sächsischen Gewand nach Leipzig reiste.700
Für die Grafen stellte das öffentliche Tragen einer landesherrlichen Livree eine
zweischneidige Angelegenheit dar. Auf der einen Seite stand der Auftritt im Ge-
folge eines Fürsten für Exklusivität und bedeutete Teilhabe am Prestige des Fürs-
ten701, auf der anderen Seite liefen sie dadurch »Gefahr, als landsässig und mediati-
siert angesehen zu werden«.702 Diese Gefahr nahm zu, je mehr sie in Abhängigkeit
von einem Fürsten gerieten. Vor diesem Hintergrund läßt sich das Verhalten einiger
Grafen, mal die Livree des einen und mal die Livree eines anderen Fürsten zu tra-
gen, als Versuch deuten, sich dem wachsenden politischen Einfluß der Landesher-
ren zu entziehen und sich nicht zu fest an einen von ihnen zu binden. Graf Kraft IV.
von Hohenlohe etwa nahm 1475 an der Vermählung Herzog Georgs von Bayern mit
Hedwig von Polen in Landshut als württembergischer Gefolgsmann teil, trug hin-
gegen 1483 zur Fastnachtsfeier in Offenburg die pfalzgräfliche Livree.703 Graf Lud-
wig von Isenburg-Büdingen geriet wegen einer Livree-Frage 1475 gar in eine heikle
politische Situation. Nachdem er zur Amberger Hochzeit 1474 im Gefolge des Pfalz-
grafen Philipp erschienen war, erhielt er zur Landshuter Hochzeit ein Jahr später
eine Einladung des mit Philipp verfeindeten Markgrafen Albrecht Achilles von
Brandenburg, diesen in der brandenburgischen Livree zu begleiten. Ludwig reiste
nicht zu den Festlichkeiten - vielleicht um sich auf diese Weise diplomatisch aus
der vertrackten Lage zu befreien.704
Wie erfolgreich die Grafen in ihren Bemühungen, sich politische Eigenstän-
digkeit auf der symbolischen Ebene der Kleidung zu bewahren, im einzelnen auch
gewesen sein mögen705, zeugen die an sie ergehenden Aufforderungen der Fürsten,
als Gefolgsmann im Hofgewand zu erscheinen, unzweifelhaft von dem Bestreben,
fürstliche Herrschaft mittels der Livree zu festigen. Greifbar werden solche An-
strengungen keineswegs nur bei der zu bestimmten Anlässen ausgegebenen Hof-
kleidung, sondern sie spiegeln sich auch in der Handhabung des täglich getrage-
nen Hofgewands. So führten die gemeinsam regierenden Brüder Heinrich V. und
Albrecht VII. von Mecklenburg wohl nicht aus einer Laune heraus 1518 eine ein-
heitliche reguläre Hofkleidung für das Personal ihrer beider Höfe ein, sondern um

700 So Bojcov Ebd.
701 Das Bemühen des Niederadels, am Glanz der Fürstenhöfe zu partizipieren und sich Lebens-
stil nebst Etikette fürstlicher Hofgesellschaften anzueignen, hat Ranft, Einer von Adel, 1996,
bes. S. 336-337, exemplarisch an Wappen-, Turnier, Haus- und Familienbüchern deutlich ge-
macht.
702 Spieß, Kommunikationsformen im Hochadel, 2001, S. 275. Ranft hat dargelegt, wie der niedere
Adel gegen Ende des 15. Jahrhunderts infolge des sozialen Aufstiegs städtischer Eliten und
der zunehmenden fürstlichen Territorialbestrebungen gleich von zwei Seiten her sowohl öko-
nomisch als auch herrschaftlich immer stärker unter Druck geriet und dadurch an Hand-
lungsspielräumen verlor. Dazu Ranft, Einer von Adel, 1996, bes. S. 331. Er interpretiert die
Veranstaltung genossenschaftlicher Turniere als Reaktion des verunsicherten Niederadels
auf diesen Wandel, genauer gesagt als dessen Versuch, den immer stärker obsolet werdenden,
allein in Herkunft und Tradition gründenden, identiätsstiftenden Anspruch auf sozialen Vor-
rang mit Hilfe des Turniers »als Demonstration autonomer Herrschaftsbefähigung im weite-
ren Sinne« aufrechtzuerhalten und neu zu begründen. Ebd., S. 341.
703 Spieß, Kommunikationsformen im Hochadel, 2001, Anm. 58, S. 275.
704 Ebd.
705 Dies einmal systematisch zu untersuchen, wäre sicherlich ein lohnenswertes Unterfangen.
 
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