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2. Das frühe Christentum und Augustinus
Bereits Finke urteilte 1935, dass durch Augustinus „der Wesensbegriff des
gerechten Krieges in die Menschheit gekommen" sei. Von Augustinus sei er dann
über Gregor I. und Gregor VII. in die mittelalterliche Literatur gedrungen.159
Selbst in Untersuchungen, welche hauptsächlich die Kriege der Gegenwart
diskutieren, spielt Augustinus nach wie vor eine Rolle. Offenbar werden Krite-
rien wie ein gerechter Grund, eine rechte Absicht, eine legitime Autorität etc.
auch in gegenwärtigen Kriegstheorien immer noch verwendet.160 Die Ausfüh-
rungen des Augustinus sind also sogar heute noch wirkungsmächtig.
Der bedeutende lateinische Kirchenvater Augustinus äußerte sich an meh-
reren Stellen seines umfangreichen Werkes über Krieg und Kriegsführung,
wobei er eine Theorie vom bellum iustum, dem gerechten Krieg entwickelte.
Hierbei stand er Cicero zwar nicht fern, doch unterschied er sich von dessen
Denken etwa dadurch, dass sich bei dem römischen Redner viel stärker eine
Atmosphäre des Ruhmes im Zusammenhang mit Kriegsführung finden lässt, als
dies bei dem Kirchenvater der Fall ist.161 Das gesamte christliche Mittelalter be-
diente sich des Konzepts des bellum iustum,162 weshalb es für unser Thema na-
hezu unumgänglich ist, Augustinus etwas näher zu betrachten.
In einem Brief an einen Bonifacius schreibt Augustinus, dass es sehr wohl
möglich sei, Gott zu erfreuen, während man Kriegsdienst leiste: Noli existimcire
neminem deo placere passe, qui in armis bellicis militat.163 164 Unter denjenigen, die dies
getan hätten, sei selbst David gewesen oder auch Cornelius, der von einem Engel
aufgesucht wurde, sowie die Soldaten, die zu Johannes kamen, um getauft zu
werden und die gefragt hätten, was sie tun sollten. Daraufhin sei ihnen geant-
wortet worden: Neminem concusseritis, nulli calumniam feceritis, sufficiat uobis Sti-
pendium uestrumu\ Daraus zieht der Kirchenvater den Schluss, dass der Täufer
ihnen sicherlich nicht verboten habe, Dienst an der Waffe zu leisten, wenn er
159 Vgl. Finke: Das Problem des gerechten Krieges, S. 1427. Der Theologe und Kirchenhistoriker
Arnold Angenendt will sich dagegen wehren, dass Augustinus „zum Vater der Religionsgewalt
im Christentum" erklärt worden sei; vgl. Angenendt: Die Kreuzzüge. Aufruf zum „gerechten"
oder zum „heiligen" Krieg?, S. 341. Eine solche Haltung, die auf offenkundigen Sympathien für
Augustinus beruht, lässt sich sicherlich nur bedingt aufrechterhalten, wenn man die Wir-
kungsmächtigkeit des Kirchenvaters im Hinblick auf unser Thema bedenkt. Augustinus mag
vielleicht nicht der „Vater der Religionsgewalt" sein, doch, wie im Laufe dieses Kapitels und
dieser Arbeit deutlich werden wird, stellt sein Werk einen bedeutenden Schritt hin zu einer
Sakralisierung des Krieges innerhalb des Christentums dar.
160 Vgl. z. B. Mattias Iser: Paradoxien des (un)gerechten Krieges, in: Geis: Den Krieg überdenken,
S. 179-200; hier S. 181; Geis: Den Krieg überdenken, S. 23 f.
161 Vgl. Bruno de Solages: La theologie de la guerre juste, Paris 1946, S. 45. Auch Herzig betont, dass
Augustinus nur einige Elemente der Theorie Ciceros vom gerechten Krieg übernahm; vgl. Heinz
E. Herzig: Ciceros Konzept des „bellum iustum" und Augustins Überlieferung, in: Christian
Hesse u. a. (Hrsg.): Personen der Geschichte. Geschichte der Personen. Studien zur Kreuzzugs-,
Sozial- und Bildungsgeschichte, Basel 2003, S. 393-402. Zu Cicero und Augustinus vgl. auch
Robert M. Grant: War - Just, Holy, Unjust - in Hellenistic and Early Christian Thought, in:
Augustinianum 20 (1980), S. 173-190; hier S. 174.
162 Vgl. Thomas Scharff: Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen, S. 166.
163 Ep. 189, ed. A. Goldbacher, CSEL 57, Wien / Leipzig 1911, S. 133.
164 Ebd., S. 134; Luk 3, 14.
2. Das frühe Christentum und Augustinus
Bereits Finke urteilte 1935, dass durch Augustinus „der Wesensbegriff des
gerechten Krieges in die Menschheit gekommen" sei. Von Augustinus sei er dann
über Gregor I. und Gregor VII. in die mittelalterliche Literatur gedrungen.159
Selbst in Untersuchungen, welche hauptsächlich die Kriege der Gegenwart
diskutieren, spielt Augustinus nach wie vor eine Rolle. Offenbar werden Krite-
rien wie ein gerechter Grund, eine rechte Absicht, eine legitime Autorität etc.
auch in gegenwärtigen Kriegstheorien immer noch verwendet.160 Die Ausfüh-
rungen des Augustinus sind also sogar heute noch wirkungsmächtig.
Der bedeutende lateinische Kirchenvater Augustinus äußerte sich an meh-
reren Stellen seines umfangreichen Werkes über Krieg und Kriegsführung,
wobei er eine Theorie vom bellum iustum, dem gerechten Krieg entwickelte.
Hierbei stand er Cicero zwar nicht fern, doch unterschied er sich von dessen
Denken etwa dadurch, dass sich bei dem römischen Redner viel stärker eine
Atmosphäre des Ruhmes im Zusammenhang mit Kriegsführung finden lässt, als
dies bei dem Kirchenvater der Fall ist.161 Das gesamte christliche Mittelalter be-
diente sich des Konzepts des bellum iustum,162 weshalb es für unser Thema na-
hezu unumgänglich ist, Augustinus etwas näher zu betrachten.
In einem Brief an einen Bonifacius schreibt Augustinus, dass es sehr wohl
möglich sei, Gott zu erfreuen, während man Kriegsdienst leiste: Noli existimcire
neminem deo placere passe, qui in armis bellicis militat.163 164 Unter denjenigen, die dies
getan hätten, sei selbst David gewesen oder auch Cornelius, der von einem Engel
aufgesucht wurde, sowie die Soldaten, die zu Johannes kamen, um getauft zu
werden und die gefragt hätten, was sie tun sollten. Daraufhin sei ihnen geant-
wortet worden: Neminem concusseritis, nulli calumniam feceritis, sufficiat uobis Sti-
pendium uestrumu\ Daraus zieht der Kirchenvater den Schluss, dass der Täufer
ihnen sicherlich nicht verboten habe, Dienst an der Waffe zu leisten, wenn er
159 Vgl. Finke: Das Problem des gerechten Krieges, S. 1427. Der Theologe und Kirchenhistoriker
Arnold Angenendt will sich dagegen wehren, dass Augustinus „zum Vater der Religionsgewalt
im Christentum" erklärt worden sei; vgl. Angenendt: Die Kreuzzüge. Aufruf zum „gerechten"
oder zum „heiligen" Krieg?, S. 341. Eine solche Haltung, die auf offenkundigen Sympathien für
Augustinus beruht, lässt sich sicherlich nur bedingt aufrechterhalten, wenn man die Wir-
kungsmächtigkeit des Kirchenvaters im Hinblick auf unser Thema bedenkt. Augustinus mag
vielleicht nicht der „Vater der Religionsgewalt" sein, doch, wie im Laufe dieses Kapitels und
dieser Arbeit deutlich werden wird, stellt sein Werk einen bedeutenden Schritt hin zu einer
Sakralisierung des Krieges innerhalb des Christentums dar.
160 Vgl. z. B. Mattias Iser: Paradoxien des (un)gerechten Krieges, in: Geis: Den Krieg überdenken,
S. 179-200; hier S. 181; Geis: Den Krieg überdenken, S. 23 f.
161 Vgl. Bruno de Solages: La theologie de la guerre juste, Paris 1946, S. 45. Auch Herzig betont, dass
Augustinus nur einige Elemente der Theorie Ciceros vom gerechten Krieg übernahm; vgl. Heinz
E. Herzig: Ciceros Konzept des „bellum iustum" und Augustins Überlieferung, in: Christian
Hesse u. a. (Hrsg.): Personen der Geschichte. Geschichte der Personen. Studien zur Kreuzzugs-,
Sozial- und Bildungsgeschichte, Basel 2003, S. 393-402. Zu Cicero und Augustinus vgl. auch
Robert M. Grant: War - Just, Holy, Unjust - in Hellenistic and Early Christian Thought, in:
Augustinianum 20 (1980), S. 173-190; hier S. 174.
162 Vgl. Thomas Scharff: Die Kämpfe der Herrscher und der Heiligen, S. 166.
163 Ep. 189, ed. A. Goldbacher, CSEL 57, Wien / Leipzig 1911, S. 133.
164 Ebd., S. 134; Luk 3, 14.