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Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0294

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18. Die christliche Welt unmittelbar
vor Clermont
18.1. Ivo von Chartres
Gewissermaßen am Vorabend des Konzils von Clermont entstand die Kano-
nessammlung Ivos von Chartres. Ivo war Brundage zufolge der einflussreichste
und gefeierteste Kanonist seiner Generation.1806 Bevor wir uns Urban II. zu-
wenden, soll an dieser Stelle noch ein kurzer Blick auf Ivos Werk geworfen
werden.
Wie bereits Erdmann feststellte, äußert sich die Kanonessammlung des Ivo
von Chartres in recht ambivalenter Weise zum Thema Krieg.1807 So findet sich im
„Decretum" Ivos ein Satz, der davor warnt, Totschlag im Krieg auf die leichte
Schulter zu nehmen.1808 Allerdings ließ Ivo den Satz in der Panormia, die als eine
auf das Wesentliche verkürzte Fassung des Decretums betrachtet wird, weg.1809
Auf der anderen Seite übernahm Ivo einige Aussagen des Augustinus, etwa
diejenige, dass ein Soldat nicht als Mörder angeklagt werden soll, wenn er einen

1806 Vgl. James A. Brundage: Anselm, Ivo of Chartres and the Ideology of the first Crusade, in: Les
Mutations socio-culturelles au tournant des XIe-XIIe siecles. Etudes anselmiennes (IVe session),
Paris 1984,175-188; hier S. 176. Brasington zufolge war die „Panormia" Ivos die einflussreichste
Rechtssammlung während der Jahrzehnte vor Gratians „Decretum"; vgl. Bruce C. Brasington
(Hrsg.): Ways of Mercy. The Prologue of Ivo of Chartres. Edition and Analysis, Münster 2004
(Vita regularis. Ordnungen und Deutungen religiösen (sic) Lebens im Mittelalter. Editionen 2),
S. 6. Das Decretum wurde um 1094 zusammengestellt; vgl. Christof Rolker: The earliest work of
Ivo of Chartres: the case of Ivo's Eucharist florilegium and the canon law collections attributed to
him, in: Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte 124. Kanonistische Abteilung 93
(2007), S. 109-127; hier S. 112. Nach dem zwölften Jahrhundert scheinen die Schriften Ivos
allerdings eher in Vergessenheit geraten zu sein; vgl. Rolf Sprandel: Ivo von Chartres und seine
Stellung in der Kirchengeschichte, Stuttgart 1962 (Pariser Historische Studien 1), S. 174.
1807 Vgl. Erdmann: Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 247.
1808 Ivo von Chartres: Decretum 10,152, Sp. 136: Oportet autem diligentius eos admonere qui homicidia in
bello perpetrata de nihilo ducunt, excusantes se non ideo necesse habere de singulis facere poenitentiam, eo
qnod jussu principum peractum sit, et Dei judicio itafinitum. Der bei Migne gedruckte Text unter-
scheidet sich nicht wesentlich von demjenigen, den Brasington im Rahmen einer provisorischen
Edition im Internet zugänglich gemacht hat, und zwar unter https://ivo-of-chartres.github.io/
decretum/ivodec_10.pdf. Die Bemerkung findet sich so ähnlich bereits bei Rabanus Maurus:
Ep. 32, ed. E. Dümmler, MGH Epp. 5, Berlin 1899, S. 464; Burchard von Worms: Decretorum libri
viginti, Sp. 770.
1809 Vgl. Hehl: Kirche und Krieg, S. 10. Rolker bezweifelt allerdings die gemeinhin vertretene Auf-
fassung, dass sowohl Decretum als auch Panormia von Ivo stammen müssen. Seiner Meinung
nach stammen die beiden Werke nicht unbedingt von dem selben Autor, wobei insbesondere
Ivos Autorschaft der Panormia unsicher sei, so Rolker; vgl. Rolker: The earliest work of Ivo of
Chartres, S. 111; 122f.
 
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