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Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0192

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10. „Heiliger Krieg" im Frühmittelalter?

10.1. Nikolaus L, Leo IV. und Hadrian II.
Inwiefern war im Frühmittelalter das spätere Denken, die Terminologie eines
echten heiligen Krieges bzw. der Kreuzzüge überhaupt schon vorhanden? Die
Lektüre der Quellen jener Zeit zeigt immerhin, dass Phrasen wie milites Christi
verwendet wurden.
Nikolaus I. zog, als er sich im Jahr 865 an Karl den Kahlen und Ludwig den
Deutschen wandte, eine klare Trennlinie zwischen milites Christi und milites sci-
eculi.1157 Mit den milites Christi meint der Papst hier eindeutig Geistliche, genauer
gesagt Bischöfe, die zur Überwachung feindlicher Normannen herangezogen
wurden: Reprehensibile denique valde esse constat, quod subintulisti dicendo maiorem
partem episcoporum omnium die noctuque cum aliis fidelibus tuis contra piratas ma-
ritimos invigilare, ob idque episcopi inpediuntur venire.1158 Darauf folgt dann die
Bemerkung, dass weltliche und christliche „milites" bei ihren jeweiligen Auf-
gabenbereichen bleiben sollten. Obwohl es sich also um heidnische Gegner
handelte, wollte das Kirchenoberhaupt gerade nicht, dass geistliche für militä-
rische Aufgaben herangezogen werden, geschweige denn, dass er Krieger, die
gegen die Normannen zu Felde zogen, selbst als milites Christi bezeichnete. Der
Brief zeigt sehr klar, wie weit die katholische Kirche im neunten Jahrhundert
noch von den späteren Kreuzzügen entfernt war. Wieder wird deutlich, dass im
frühen Mittelalter zwischen weltlicher und geistlicher Sphäre unterschieden
wurde. „Mönchskrieger", wie später etwa die Templer, waren noch undenkbar.
In den Fragmenten eines Briefes Nikolaus' an den Bischof von Therouanne findet
sich abermals die Forderung nach einer klaren Unterscheidung zwischen welt-
licher und geistlicher militia.1159 Der Papst verlangt hier sogar, dass ein Geistli-
cher, der einen Heiden getötet hat, nicht mehr weiter aufsteigen darf und seine
bisherige Stellung verliert, da er ein Mörder sei. Dennoch sah Nikolaus in den
Nichtchristen eine Bedrohung, spricht er doch in dem Brief auch von den pa-
ganorum insidiae, als er Bischöfe zu Standhaftigkeit aufruft.1160
Der Begriff „milites Christi" wurde im neunten Jahrhundert also keineswegs,
wie später während der Kreuzzüge, für Kämpfer in einem realen Krieg ver-
wendet, sondern meinte diejenigen, die bildlich gesprochen, gegen das Böse in
der Welt kämpfen.
Nikolaus äußerte sich auch mehrfach zur Waffenführung. So verfügte er
innerhalb der kirchlichen Strafen für einen Muttermörder nicht nur, dass der

1157 VgL ep. 38, ed. E. Pereis, MGH Epp. 6, Berlin 1925, S. 309: cum militibus Christi sit Christo servire,
militibus vero saeculi saeculo.
1158 Vgl. ebd.
1159 Vgl. ep. 104, ebd., S. 613.
1160 Vgl. ebd.
 
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