Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
80

4. Heiliger Krieg in Byzanz

4.12. Zum Einfluss der Perserkriege des Herakleios
auf die westliche Welt
4.12.1. Die Wahrnehmung des Herakleios im lateinischen Frühmittelalter
Wenn man sich einmal all die Parallelen zu den späteren Kreuzzügen und damit
zum heiligen Krieg der lateinischen Christenheit vor Augen führt, ist es durchaus
angemessen, das Nachleben des Herakleios im westlichen Europa zu betrachten.
Herakleios wurde von seinen Panegyrikern mit Moses, David und Konstantin
dem Großen verglichen.428 Alle diese Personen können als Protagonisten eines
kämpferischen Glaubens aufgefasst werden. Inwiefern war Herakleios aber im
Westen bekannt? Kann er gar als Wegbereiter des christlichen heiligen Krieges
betrachtet werden? Eine derartige Spurensuche ist bisher kaum versucht wor-
den, gestaltet sie sich von der Quellenlage her doch recht schwierig, was etwa
daran ersichtlich wird, dass nicht zuletzt poetische Texte heranzuziehen sind.
Äußerst wichtig ist, was den möglichen Transport der Vorstellungen, der
Strömungen und der Ideen betrifft, die uns in Zusammenhang mit Herakleios
begegnet sind, natürlich der Gegenpapst Anastasius, genannt Bibliothecarius,
der um 879 starb und welcher unter anderem eine Chronik verfasste, die nicht
zuletzt auf Theophanes basierte, bzw. eine regelrechte Übersetzung ist.429 Er ist
nicht nur deswegen von Bedeutung, weil er die Chronik des Theophanes west-
lichen Lesern zugänglich machte, sondern auch, weil seine Übersetzung auf eine
Fassung der Chronik zurückgeht, die älter ist als die Handschriften des Theo-
phanes, die wir haben.430 431 Anastasius kannte die Anfeuerungsreden des Hera-
kleios, wenngleich sie bei ihm ein klein wenig anders klingen: viri fratres, dei
timorem in mentem sumamus; [...] stemus fortiter adversus inimicos, qui multa dira
Christianis operati sunt. [...] stemus adversus hostes impiis telis armatos. [...] vin-
dicimus corruptiones virginum, recisa commüitonum membra nostrorum videntes
cordibus doleamus. non est haec nullam mercedem habentia, sed vitae perennis praemia.
stemus viriliter, et dominus deus nobis cooperabitur et perdet inimicos nostros.43' Auch
hier wird den sterbenden Kriegern das ewige Leben versprochen, auch hier
kämpft man gegen die Feinde der Christen, die sich schändlich verhalten haben.
Die heidnischen Perser, die Feinde Gottes, haben sich an Altären, Heiligtümern

428 Vgl. Kaegi: Heraclius, S. 301.
429 Vgl. Heinz Wolter: s.v. „A. Bibliothecarius", in: Robert Auty u. a. (Hrsg.): Lexikon des Mittel-
alters, Bd. 1, München / Zürich 1980, Sp. 573 f. Anastasius war von 867 oder 868 bis in die späten
870er hinein päpstlicher Bibliothekar; vgl. Bronwen Neil: Seventh-Century Popes and Martyrs:
The Political Hagiography of Anastasius Bibliothecarius, Turnhout 2006 (Studia Antiqua Aus-
traliensia 2), S. 3; 18; 20 f.; 25. Zum Todesdatum vgl. ebd., S. 34.
430 Vgl. dazu Rochow: Byzanz im 8. Jahrhundert, S. 68 f.
431 Anastasius Bibliothecarius: Chronographia tripertita, ed. C. de Boor, Theophanis Chronogra-
phia 2, Leipzig 1885 (ND Hildesheim 1963), S. 189.
 
Annotationen