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Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0384

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23. Der „heilige" Krieg - ein Resümee
Betrachtet man die Geschichte der Entstehung des sogenannten „heiligen Krie-
ges" im Christentum, so stößt man in der Spätantike, mit der Christianisierung
des römischen Reiches, auf erste Konturen, Konstantin der Große mag als Bei-
spiel dienen. Bereits hier treffen wir auf Schilderungen, die Krieg als gottgefäl-
liges Werk darstellen, ebenso wie auf Kämpfe, die unter dem Zeichen des Erlö-
sers geführt wurden. Christliche Symbolik verbindet sich mit Waffen, sie gerät
zum Feldzeichen und weist damit auf das Mittelalter voraus, bis hin zu den
Kreuzzügen. Dennoch, die Diskussionen, die während der Spätantike im
christlichen Umfeld geführt wurden, konzentrierten sich, was das Thema Krieg
angeht, auf die Rechtmäßigkeit von Krieg und Kriegsführung an sich, entspre-
chend intensiv setzte sich Aurelius Augustinus damit auseinander. Seine Über-
legungen übten noch über Jahrhunderte einen nicht zu unterschätzenden Ein-
fluss aus, selbst einzelne Argumente, wie das Beispiel mit Johannes dem Täufer,
wurden später übernommen. Trotz Konstantin dem Großen und seiner angeb-
lichen Vision, trotz seines vermeintlich von Gott sanktionierten Sieges über sei-
nen heidnischen Widersacher, denken wir, wenn wir uns mit dem Themenbe-
reich Religion und Gewalt befassen, wenn wir der Vorstellung von einem
christlichen heiligen Krieg nachgehen wollen, zunächst kaum an Ostrom und an
Byzanz. Dies mag in erster Linie daran liegen, dass die Byzantiner den fanati-
sierten Kreuzfahrern eher skeptisch gegenüberstanden, in einer Zeit, in der sich
Ost und West stark voneinander entfremdet hatten. Dennoch begegnet uns im
Byzanz des Herakleios eine Vorstellung, die der eines heiligen Krieges sicherlich
sehr nahe kommt. Wir treffen möglicherweise bereits auf die Idee des Krieger-
martyriums, die Herakleios einsetzte, um seine Soldaten für den Kampf gegen
die Perser anzuspornen. Die Feldzüge jenes Kaisers scheinen in nicht geringem
Maß religiös überhöht worden zu sein. Bei seinem Einsatz von Reliquien und
Liturgie, von Verheißungen und Dämonisierungen, mag Herakleios in erster
Linie danach getrachtet haben, seine Männer zu motivieren, woraus sich viel-
leicht sogar seine eher unerwarteten militärischen Erfolge ergaben. Auch im
Hinblick auf die Kreuzzüge wurde die Vermutung geäußert, dass der Erfolg des
Ersten Kreuzzuges weniger in einer militärtechnischen Überlegenheit der
Kreuzfahrer begründet lag, sondern eher in ihrer Kampfesweise, die von reli-
giösem Fanatismus geprägt war.2372 Mag sein, dass auch hierin eine gewisse
Parallele zu Herakleios vorliegt, dessen militärische Siege wohl nicht zuletzt
auch in der religiös begründeten Motivation der byzantinischen Soldaten ihren
Ursprung hatten. Vieles von dem, auf das wir bei der Untersuchung der Zeit des
Herakleios stoßen, nimmt Elemente vorweg, die uns im Westen, zumindest in
konzentrierter Form, im Grunde erst wieder während des späten elften Jahr-
hunderts begegnen. Zu den geistigen Entwicklungen, die im lateinischen Westen
schließlich in die Vorstellung von einem christlichen heiligen Krieg und in den

2372 Vgl. Thorau: Die Kreuzzüge, S. 74.
 
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