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Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

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https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0326

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20.3. Raimund von Aguilers

325

Riley-Smith teilt die Märtyrer des Ersten Kreuzzuges in drei Kategorien ein:
Zur ersten gehören diejenigen, die während des Unternehmens an Krankheiten
starben, zur zweiten die Kleriker und Laien, die ein herkömmliches Martyrium
erlitten, also unbewaffnet bzw. passiv starben. Die dritte Kategorie bildeten aber
diejenigen, die in der Schlacht fielen.2025 Riley-Smith bezweifelt, dass der Ge-
danke des Kriegermartyriums schon zu Beginn des Ersten Kreuzzuges vor-
handen war, schon in Clermont gepredigt wurde. Diese Ansicht sei erst im
Verlauf des Feldzuges entstanden, vor allem nach 1O98.2026 Flori widerspricht
dieser Behauptung, er betont, dass das Quellenmaterial einen solchen Schluss
nicht zulasse und vermutet, dass die Idee des Kriegermartyriums auf dem Konzil
von Clermont wohl schon vorhanden war.2027 Wir werden der Vorstellung von
einem Kriegermartyrium immer wieder einmal begegnen, wenn wir uns mit den
Chronisten des Ersten Kreuzzuges näher befassen.
20.3. Raimund von Aguilers
20.3.1. Gottes Wille
Zum Verlauf des Ersten Kreuzzuges stehen, unter anderem, wiederum die be-
deutenden erzählenden Quellen zur Verfügung, die zum Teil schon erwähnt
wurden. Marcus Bull beklagt, dass die Geschichtswissenschaft möglicherweise
die narrativen Quellen des Ersten Kreuzzuges zu wenig als „cultural artefacts"
wahrgenommen hat.2028 Ihr Quellenwert beschränkt sich bei Leibe nicht auf den
Ablauf des Unternehmens, vielmehr sagen sie auch etwas über das Denken der
Zeit aus und damit nicht zuletzt darüber, wie der Krieg, den man im Heiligen
Land führte, empfunden wurde.
Im Folgenden wollen wir daher die „Historia Francorum qui ceperunt Ihe-
rusalem" des Raimund von Aguilers betrachten. Der Verfasser war Kaplan und
Chronist des Grafen Raimund von Toulouse, welcher der reichste Kreuzfahrer
des Ersten Kreuzzuges war. Dieser führte das Heer, das in Südfrankreich zu-
stande kam.2029 Raimund nahm also selbst am Ersten Kreuzzug teil.2030 Natürlich
stehen für uns hierbei weniger die realhistorischen Ereignisse im Vordergrund,

2025 Vgl. Riley-Smith: The First Crusade, S. 114 f.
2026 Vgl. ebd., S. 116.
2027 Vgl. Jean Flori: Mort et martyre des guerriers vers 1100. L'exemple de la premiere croisade, in:
Cahiers de Civilisation Medievale 34 (1991), S. 121-139; hier S. 134 f.
2028 Vgl. Bull: Views of Muslims and of Jerusalem in miracle stories, hier S. 16.
2029 Vgl. Hans Eberhard Mayer: Geschichte der Kreuzzüge, S. 63. Zur Identität Raimunds vgl. auch
Marcus Bull: Overlapping and Competing Identities in the Frankish First Crusade, in: Le Concile
de Clermont, S. 195-212; hier S. 198 f. Der Erste Kreuzzug war im Grunde eine Ansammlung von
Heerscharen, von denen sich jede um einen der großen Anführer gruppierte, wie etwa Raimund.
Die Struktur des Kreuzfahrerheeres war also eher lose; vgl. John France: Warfare in the Medi-
terranean region in the age of the crusades, 1095-1291: a clash of contrast, in: Kostick (Hrsg.): The
Crusades, S. 9-26; hier S. 12 f.
2030 Vgl. Flori: Chroniqueurs et propagandistes, S. 180.
 
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