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Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Editor]; Jan Thorbecke Verlag [Editor]; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0052

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4. Heiliger Krieg in Byzanz

4.1. Zur bisherigen Wahrnehmung der Forschung
Liest man die oben zitierten lobenden Worte Gregors I. für den Exarchen von
Afrika, so fragt man sich, ob die oströmische Welt nicht auch eine Konzeption
aufweisen kann, die über die Vorstellung von einem gerechten Krieg hinaus-
ging221 und derjenigen eines heiligen Krieges zumindest ähnelt. Und in der Tat
wurde die Existenz eines solchen Konzeptes mehrfach für das siebte Jahrhun-
dert, genauer gesagt, für die Herrschaft des Herakleios, postuliert. Nicht nur für
ein breites Lesepublikum angelegte Darstellungen, wie die von Peter Partner, der
glaubt, der heilige Krieg habe die byzantinische Welt spätestens zur selben Zeit
betreten wie die islamische,222 sondern auch renommierte Historiker wiesen
stellenweise darauf hin. Georg Ostrogorsky etwa schreibt über den Krieg des
Herakleios gegen die Perser, der in den Zwanzigern des siebten Jahrhunderts
stattfand, es habe sich um den ersten typischen mittelalterlichen Krieg gehandelt,
der an die späteren Kreuzzüge gemahne.223 Auch Runciman verwies darauf,
dass spätere Generationen in Herakleios den ersten Kreuzritter erblickten.224 Lilie
macht zumindest eine gewisse „Kreuzzugsbegeisterung" aus.225 McCormick
nahm für den Zeitraum des späten sechsten und frühen siebten Jahrhunderts

221 Das Führen eines Krieges durch einen byzantinischen Feldherm durfte nicht ohne einen ge-
rechten Grund stattfinden; vgl. Stouraitis: Krieg und Frieden, S. 273 ff. In der Regel stimmten die
byzantinischen Quellenautoren dennoch auch der Expansionspolitik der kaiserlichen Regierung
zu, indem sie deren Kriege nicht kritisierten, sondern ihre Gerechtigkeit im Rahmen des Kon-
zeptes der Verteidigung bzw. der Wiederherstellung des eigenen Reiches hervorhoben; vgl. ebd.,
S. 287. Die Gerechtigkeit gewährleistete das Wohlwollen und die Hilfe Gottes bei der Kriegs-
führung; vgl. ebd., S. 306. Zu den Unterschieden zwischen der westlichen, augustinischen, Idee
des gerechten Krieges und einer byzantinischen Konzeption Leons VI., vgl. Angeliki E. Laiou:
On Just War in Byzantium, in: Stephen W. Reinert (u. a.) (Hrsg.): To Hellenikon: Studies in Honor
of Speros Vryonis Jr., Bd. 1, New Rochelle 1993, S. 153-174; hier S. 167ff. Neuerdings auch
abgedruckt in: John Haldon (Hrsg.): Byzantine Warfare, Aldershot 2007 S. 17-42.
222 Vgl. Peter Partner: God of Battles. Holy Wars of Christianity and Islam, Princeton 1997, S. 70.
223 Vgl. Georg Ostrogorsky: Geschichte des byzantinischen Staates, München 31963 (HdA 12, 1.2),
S. 83. Hans Belting meint sogar, der Krieg gegen die Perser sei „als Heiliger Krieg" geführt
worden; vgl. Hans Belting: Bild und Kult. Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der
Kirnst, München 72011, S. 67.
224 Vgl. Steven Runciman: Geschichte der Kreuzzüge, Bd. 1. Der erste Kreuzzug und die Gründung
des Königreichs Jerusalem, München 1958, S. 11. In seinem populärwissenschaftlichen Buch
„First Crusader" äußert Geoffrey Regan, dass Herakleios sich selbst als „Kreuzfahrer" be-
zeichnet hätte, wenn der Begriff im Jahr 622 bereits existiert hätte; vgl. Geoffrey Regan: First
Crusader. Byzantium's Holy Wars, New York 2003, S. 78.
225 Vgl. Ralph-Johannes Lilie: Byzanz und die Kreuzzüge, Stuttgart 2004, S. 26. Bergamo befindet
dagegen zurecht, dass Herakleios nicht der erste Kreuzfahrer gewesen sein könne, da das
Konzept eines Kreuzzuges zu jener Zeit noch nicht bekannt war; vgl. Nicola Bergamo: Expeditio
Persica of Heraclius: Holy War or Crusade?, in: Porphyra 12 (2008), S. 94-107; hier S. 105.
 
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