10.6. Die heilige Lanze
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Kreuzzüge befassen. Die Gewichtigkeit Karls als Vorkämpfer für das Christen-
tum wird damit ebenso betont wie die Gewichtigkeit des Beschenkten. Natürlich
sollte der englische König durch die Bemerkung, einige der Geschenke hätten
einmal Karl dem Großen gehört, glorifiziert werden.1266
Im Heiligen Römischen Reich erlangte die heilige Lanze dann große Be-
deutung. Sie zählte schließlich zu den wichtigsten Symbolen der Herrschaft und
diente zeitweise regelrecht zur Investitur des Königs.1267 So zählte sie etwa
Widukind von Corvey zu den königlichen Insignien.1268 Adelson zufolge war die
heilige Lanze eine einzigartige Waffe, die ihrem Träger außergewöhnliche Kräfte
verlieh. Sie war ein Symbol für die Übertragung der königlichen Macht und ein
Zeichen göttlichen Schutzes, so Adelson.1269
Liutprand von Cremona verbindet die Lanze, die Heinrich I. von Rudolf II.
von Burgund erhalten hatte, mit den militärischen Siegen des Ersteren, die mit
Gottes Hilfe und als göttlicher Lohn zustande gekommen seien.1270 Noch bevor
die heilige Lanze dann Otto I. in der Lechfeldschlacht beistand, soll sie ihm
bereits im Kampf um die Macht mit seinem jüngeren Bruder Heinrich wertvolle
Dienste geleistet haben, und zwar in Birten im Jahr 939. Liutprand erzählt, wie
Otto voller Gottvertrauen gegen die Feinde in den Krieg zog.1271 Auch die Krieger
Ottos hätten ähnlich gedacht, was Liutprand mit einem angeblichen Zitat belegt:
Si enim terrestris domus nostra resistendo iniustitiae dissolvatur, aeternam non manu
factum recipiemus in caelis.1272 In Äußerungen wie diesen mag das Kriegermarty-
rium späterer Tage, wie dasjenige, das uns während des Ersten Kreuzzuges sehr
häufig begegnen wird, bereits angedeutet sein, wenngleich die Kämpfer hier
noch nicht als Märtyrer bezeichnet werden. Zugleich fühlt man sich, in puncto
Wortwahl, ein wenig an das Acheiropoieton erinnert.
1266 Vgl. Laura Hibbard Loomis: The Holy Relics of Charlemagne and King Athelstan: the Lances of
Longinus and St Mauricius, in: Speculum 25 (1950), S. 437-456; hier S. 441.
1267 Vgl. Adolf Hofmeister: Die heilige Lanze, Abzeichen des alten Reichs, Breslau 1908 (ND Aalen
1973) (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Alte Folge 96), S. 25 f.; Percy
Emst Schramm: Die „Heilige Lanze". Reliquie und Herrschaftszeichen des Reiches und ihre
Replik in Krakau. Ein Überblick über die Geschichte der Königslanze, in: Ders. (Hrsg.): Herr-
schaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sech-
zehnten Jahrhundert, Bd. 2, Stuttgart 1955 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 13,2),
S. 492-537; hier S. 493; 501; 503. Zu dem Nagel vgl. ebd., S. 533 Fried zufolge war sie „das
vornehmste Reichsinsigne" der Ottonen überhaupt, ehe sie in der Zeit Konrads II. vom
Reichskreuz verdrängt worden sei; vgl. Johannes Fried: Otto III. und Boleslaw Chrobry. Das
Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen" und das frühe polnische und
ungarische Königtum, Stuttgart 22001, S. 134. Laut Stefan Weinfurter wurde die Lanze mögli-
cherweise um die Jahrtausend wende zum Investitursymbol; vgl. Weinfurter: Heinrich II., S. 69.
1268 Widukind: Sachsengeschichte, S. 38: Sumptis igitur his insigniis, lancea sacra, armillis aureis cum
clamide et veterum gladio regum ac diademate. Vgl. auch Hofmeister: Die heilige Lanze, S. 4; 26.
1269 Vgl. Adelson: The Holy Lance, S. 183.
1270 Liutprand: Antapodosis, S. 112: Deus autem [...] quantaob praelibatam rem mercede aeterno in saeculo
pium donaverit regem, indiciis quibusdam hoc etiam in tempore prodidit, dum contra se insurgentes hoc
victorifero praeeunte signo semper hostes terruit atque fugavit.
1271 Ebd., S. 110: quos contra rex properat laetus, non eorum multitudine territus, sed de Dei pietate confisus.
1272 Ebd., S. 111.
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Kreuzzüge befassen. Die Gewichtigkeit Karls als Vorkämpfer für das Christen-
tum wird damit ebenso betont wie die Gewichtigkeit des Beschenkten. Natürlich
sollte der englische König durch die Bemerkung, einige der Geschenke hätten
einmal Karl dem Großen gehört, glorifiziert werden.1266
Im Heiligen Römischen Reich erlangte die heilige Lanze dann große Be-
deutung. Sie zählte schließlich zu den wichtigsten Symbolen der Herrschaft und
diente zeitweise regelrecht zur Investitur des Königs.1267 So zählte sie etwa
Widukind von Corvey zu den königlichen Insignien.1268 Adelson zufolge war die
heilige Lanze eine einzigartige Waffe, die ihrem Träger außergewöhnliche Kräfte
verlieh. Sie war ein Symbol für die Übertragung der königlichen Macht und ein
Zeichen göttlichen Schutzes, so Adelson.1269
Liutprand von Cremona verbindet die Lanze, die Heinrich I. von Rudolf II.
von Burgund erhalten hatte, mit den militärischen Siegen des Ersteren, die mit
Gottes Hilfe und als göttlicher Lohn zustande gekommen seien.1270 Noch bevor
die heilige Lanze dann Otto I. in der Lechfeldschlacht beistand, soll sie ihm
bereits im Kampf um die Macht mit seinem jüngeren Bruder Heinrich wertvolle
Dienste geleistet haben, und zwar in Birten im Jahr 939. Liutprand erzählt, wie
Otto voller Gottvertrauen gegen die Feinde in den Krieg zog.1271 Auch die Krieger
Ottos hätten ähnlich gedacht, was Liutprand mit einem angeblichen Zitat belegt:
Si enim terrestris domus nostra resistendo iniustitiae dissolvatur, aeternam non manu
factum recipiemus in caelis.1272 In Äußerungen wie diesen mag das Kriegermarty-
rium späterer Tage, wie dasjenige, das uns während des Ersten Kreuzzuges sehr
häufig begegnen wird, bereits angedeutet sein, wenngleich die Kämpfer hier
noch nicht als Märtyrer bezeichnet werden. Zugleich fühlt man sich, in puncto
Wortwahl, ein wenig an das Acheiropoieton erinnert.
1266 Vgl. Laura Hibbard Loomis: The Holy Relics of Charlemagne and King Athelstan: the Lances of
Longinus and St Mauricius, in: Speculum 25 (1950), S. 437-456; hier S. 441.
1267 Vgl. Adolf Hofmeister: Die heilige Lanze, Abzeichen des alten Reichs, Breslau 1908 (ND Aalen
1973) (Untersuchungen zur deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, Alte Folge 96), S. 25 f.; Percy
Emst Schramm: Die „Heilige Lanze". Reliquie und Herrschaftszeichen des Reiches und ihre
Replik in Krakau. Ein Überblick über die Geschichte der Königslanze, in: Ders. (Hrsg.): Herr-
schaftszeichen und Staatssymbolik. Beiträge zu ihrer Geschichte vom dritten bis zum sech-
zehnten Jahrhundert, Bd. 2, Stuttgart 1955 (Schriften der Monumenta Germaniae Historica 13,2),
S. 492-537; hier S. 493; 501; 503. Zu dem Nagel vgl. ebd., S. 533 Fried zufolge war sie „das
vornehmste Reichsinsigne" der Ottonen überhaupt, ehe sie in der Zeit Konrads II. vom
Reichskreuz verdrängt worden sei; vgl. Johannes Fried: Otto III. und Boleslaw Chrobry. Das
Widmungsbild des Aachener Evangeliars, der „Akt von Gnesen" und das frühe polnische und
ungarische Königtum, Stuttgart 22001, S. 134. Laut Stefan Weinfurter wurde die Lanze mögli-
cherweise um die Jahrtausend wende zum Investitursymbol; vgl. Weinfurter: Heinrich II., S. 69.
1268 Widukind: Sachsengeschichte, S. 38: Sumptis igitur his insigniis, lancea sacra, armillis aureis cum
clamide et veterum gladio regum ac diademate. Vgl. auch Hofmeister: Die heilige Lanze, S. 4; 26.
1269 Vgl. Adelson: The Holy Lance, S. 183.
1270 Liutprand: Antapodosis, S. 112: Deus autem [...] quantaob praelibatam rem mercede aeterno in saeculo
pium donaverit regem, indiciis quibusdam hoc etiam in tempore prodidit, dum contra se insurgentes hoc
victorifero praeeunte signo semper hostes terruit atque fugavit.
1271 Ebd., S. 110: quos contra rex properat laetus, non eorum multitudine territus, sed de Dei pietate confisus.
1272 Ebd., S. 111.