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Gübele, Boris; Universität Stuttgart [Hrsg.]; Jan Thorbecke Verlag [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Deus vult, Deus vult: der christliche heilige Krieg im Früh- und Hochmittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 54: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2018

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.51274#0260

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14.1. Die Normannen in Süditalien

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seien Rebellen gegen Gott, ihre Kraft werde schnell zum erliegen kommen.1574
Gott marschiere den eigenen Truppen gewissermaßen voraus, weshalb man
siegen werde, so wie Gideon, der, da er Gott vertraut habe, viele Feinde nie-
dergestreckt habe.1575 In der Schlacht selbst soll angeblich ein Ritter auf einem
weißen Pferd erschienen sein, der ein weißes Banner trug, das mit einem Kreuz
geschmückt war.1576 In vorderster Front sei dieser Ritter in die Schlacht geritten,
habe so für einen emotionalen Ausbruch zahlreicher Normannen gesorgt, die
von dem beeindruckenden Einsatz des Ritters mitgerissen worden und in einen
Zustand regelrechter emotionaler Verzückung geraten seien.1577 Die Schlacht
wird so als hochemotionales, religiöses Ereignis dargestellt, sie wird zum Ort
transzendenten Erlebens und geradezu ekstatischen Empfindens.
Nachdem Messina 1061 in die Hand der Normannen gefallen war, soll Ro-
bert, so erzählt es Amatus, dem allmächtigen Gott, dem auch vonseiten des
Chronisten der Sieg zugeschrieben wird, gedankt haben.1578 Robert sei sich der
himmlischen Wohltat, die ihm zuteil geworden sei, voll und ganz bewusst ge-
wesen, habe verkünden lassen, die Schlacht sei durch Gott zustande gekommen
und habe die Stadt in die Hände der Christen fallen lassen.1579
Nach dem Sieg über den größten Teil Siziliens soll sich Roger schließlich, so
schildert es Gaufredus, besonders gottesfürchtig verhalten haben: Er habe sich
um das Recht gekümmert, Kirchen besucht, beschenkt und bauen lassen, für
Witwen und Waisen gesorgt.1580
Wilhelm von Apulien erzählt, wie Robert, nachdem er 1072 Palermo einge-
nommen hatte, die dortigen Muslime geschont habe. Andererseits habe er auch,
um Gott zu ehren, eine Moschee zerstört und an deren Stelle eine Kirche ge-
baut.1581 Vor der Einnahme soll Robert Palermo als eine Stadt dargestellt haben,
die Gott feindlich gesinnt sowie Dämonen unterworfen sei.1582
Die Quellen scheinen also darauf hinzudeuten, dass die Normannen, als sie
sich an die Eroberung des von Muslimen besetzten Sizilien machten, tatsächlich
von religiösen Gedankengängen beeinflusst wurden, dass sie an ihr Seelenheil

1574 Vgl. ebd., S. 43 f.
1575 Vgl. ebd., S. 44.
1576 Vgl. ebd.
1577 Vgl. ebd. Zu anderen Stellen bei Gaufredus, in denen religiöse Motivik eine Rolle spielt; vgl.
Wolf: Making History, S. 155; 161. Wolf glaubt, bei Gaufredus eine „language of holy war"
ausmachen zu können, allerdings ohne zu klären, was genau er unter einem heiligen Krieg
versteht. Gaufredus' Vorstellung von einem heiligen Krieg habe sich weniger auf die Motive
oder Methoden der Kombattanten gestützt, sondern vielmehr auf die Resultate ihrer Hand-
lungen. So sei Roger gewissermaßen durch die Umstände zu einem „heiligen Krieger" gewor-
den, da seine Taten dazu beitrugen, die Grenzen der Kirche auszudehnen, auch wenn dies nicht
unbedingt seine Motivation gewesen war; vgl. ebd., S. 161.
1578 Vgl. Amatus von Montecassino: Ystoire de li Normant, S. 399 f.
1579 Ebd., S. 400: Et commanda a touz les Normans que il deuissent aler et testifier que ceste bataille procede de
Dien, [...] et avoit concedut la eite, „dont porrons parturber tont li pagan."
1580 Vgl. Gaufredus Malaterra: De rebus gestis Rogerii, S. 88 f.
1581 Vgl. Guillaume de Pouille: La Geste de Robert Guiscard, ed. M. Mathieu, Institute Siciliano di
Studi Bizantini e Neoellenici. Testi e monumenti 4, Palermo 1961, S. 182.
1582 Vgl. ebd., S. 178.
 
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