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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0016

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Die sangunüsche Terininologie unserer Politiker wußte bekanntlick
schon seit ein paar Iahren von einem „d euts ch en Offie i erst ag"
zn erzcihlen. Hand in Hand init dicser Fiktion ging eine in Cobnrg
erscheinende „dentsche Wehrzeitung", die aber Ende dieses Iahres loegen
Mangels an Abonnenten eingeht. Den „Offieierstag" selbst scheint der
Mangel an Officieren weniger zu geniren.

Jn Linz klopfte es an dic Thüre eines schnnndsnchtigen Haupt-
inanns, ein blasser, natürlich inagerer, Mann trat ein und überreichtc
ihin einen Zettel init dein Datuin seines Todes. Seit diesein unheim-
lichen Ereigniß sollen iin Wicner Finanzininisteriuin, wo anch die
Schwindsucht herrscht, alle hoheren Beaintcn erschrecken, so oft es an die
Thüre klopft. So ein plotzlicher Zettel von Geisterhand, init der Jn-
schrift: „Es geht nicht inehr!" — das ist es, was sie sürchten.

Iin Nerlag des Bnchhändlers Fleming zu Glogan erschien ein
„Tvchteralbuin", enthaltend „llnterhaltnngen znr Bildung des Verstandes
und Geinüthes der weiblichen Jugend". Ob zn dieser literarischen
Glogauer Weihnachtsgabe auch die HH. Lieutenants Ärause und v. Nicht-
hofen Beiträge geliefert haben, ist nicht gesagt. Iedenfalls verdankt inan
ihnen eines der bekanntesten Blätter un Glogauer „Tdchler - Albuin".

Alle Zeitungen stiininen Loblieder an auf die Humanität eines rhein-
ländischen Fabrikbesitzers, dcr da nnter den Kindern seiner Arbeiterinnen
große Sterblichkeit benierkte und tiefbewegt sogleich anordnete, daß den
Weibern der Fabrikarbeiter zur Kindbettpflege ein scchswochentlicher llrlaub
init Gagensortbezug bewilligt werde. Wenn der sel. Lassalle noch lebte,
würde er sagen: Die Kinder der Fabrikarbeiter konunen baldinoglichst auch
in die Fabrik, gehören also zu den Arbeitskräften, resp. zum Capital
des Fabrikherrn, sie helfen für geringen Arbeitslohn den in die Tasche
des Unternehmers fließcnden Arbeits ertrag vermehren. Ein Arbeiter
mit Weib und Kindern arbeitet eigentlich für wenigcr Lohn mehr, denn
wenn die Leistungen der Kinder in der Fabrik auch bezahlt werden, so
kann doch der Vater die Forderungen für seine Arbeit nicht leicht höher
spannen, im Gegentheil: im Jnteresse seiner stabil gewordenen Familie,
und weil ja der Hcrr Weib und Kind nnd all' sein Fleisch und Blut
beschäftigt, läßt er sich gegebenen Falls eher eine Herabsetzung des Lohnes
gefallen. Also liegt der Kindersegen bei den Arbeitern im Interesse des
Arbeitgebers — Inne illue Incwinnm, daher die Hunianität und weiche
Gemüthsstimmung des vielbelobten Untcrnehmers. Wie gesagt: dieß
wäre eine Deduction ü lu Lassalle. Etwas Wahres ist daran. Wie gräßlich
erscheint aber von diesem Standpunkt aus der Unsinn: wenn Besitzende
Arbeitern die Ansässigmachung und Verehelichung verweigern wollen!

Halvjährig in Bahern 1 fl.

Druck der vr. Wild'schm Buchdruckerei (Parcus).
 
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