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Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

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https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0026

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18

eben gekauften „ Nenest. Nachr." kann nicht verfangen; hente erstickt
es in Bier, morgen friih in Schleim. Diefe Gepflogenheit kennt
weder Vor- noch Rnckschritt, sie dehnt sich ans in die Breite;
feder neu herangewachsene Einheimische, jeder zugereiste Fremde
geräth in den Zauberkreis der Kneiperei, halb zieht es ihn, halb
sinkt er hin. Und die elfte Stnnde — in der Politik so unheimlich
und so verhängnißvoll, wenn sie nicht beachtet wird — zcigt im
Wirthshans den Culminationspnnkt der Gemüthlichkeit. Man ist
bereits befriedigt und doch nicht fo übersättigt, um nicht noch
Etwas zu bedürfen. Noch eine Halbe! dieser Nuf erschallt um
diese Zeit aus tausend Kehlen, und seine Erhörung beruhigt das
Herz trotz Bismark, Maiulinie und Encyclica.

Doch wie manchmal die Ruhe der spiegelglatten See durch
plötzlichen Windstoß, so kann auch dieser stille mittelstaatliche
Lebeusgeuuß grausam unterbrochen werden, wie z. B. am Montag
dcn 9. Januar. Ein paar Leute, die sich zufällig im Freien
befanden — vor Wirthshäusern bestndet sich fast immer Ein'
oder der Andere im Freien — stürzen in's Zimmer, mit dem
Nuf: „Es brennt", oder „breunen thut's". Dieser Nuf hat
nun, je nachdem das Wirthshans oder die Gesellschaft ist, ver-
schicdene Folgen. Von Charaktern, die nur den Vortheil oder
die Sicherheit ihres Jch im Ange haben, wird die erste Ver-
wirruug sogar häusig dazu benützt, um wie jener Prinz aus der
Pfalz, ohne Vezahlung der Zeche aus der Stube zu kommen.
Auf diese Erfahrung hin sollten auch Kellnerinnen zur Feuer-
Assecuranz gelasscn werden, da sich bei ausbrechenden Bränden
ihre Verluste oft hoch belausen. Jedensalls sind Spiel und
Unterhaltung gestört ilnd Mancher leert seinen Krug mit einer
Hast, daß das Quantum viel bcsser auf die Braudstelle gegossen
wäre, als in den Magen.

Jndcssen wächst der FeucrlLrm. Während sie die Stadt
sonst nur mit eintönigen Stößen aufrütteln, beflissen sich die
Tchürmer dießmal einer gewissen Modnlation; offenbarer Einfluß
der Zukuuftsmusik, Einige wollten sogar eine Melodie aus dem
„sliegeudcn Holländer" erkennen. Die Akenschcnmenge auf den
Ctraßen wächst, man rennt nach einem unbestimmten Ziele,
Fenster öffnen sich und ängstliche Stimmen rufen herab: wo
brennt's? Auch Diejenigen, welche schon zu Bett lagen, haben
sich angezogen und eilen herab; wenn der Thürmer noch eine
Wcile sortdläst, stehen sogar die Todten auf. Selbst das schöne
Geschlecht fängt an, sich im Negligk unter die Eilenden zu
mischen. Einzelne Witzbolde schlagen mit Stöcken an die ge-
schlossenen Läden, andere brüllen „Feuer!" Verschiedene Nheu-
 
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