Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Münchener Punsch: humoristisches Originalblatt — 18.1865

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.25834#0050

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
42

Das modernisirte Palästina,

em fortschriMiches Phantafiestiick.

§benn Palästina das gelobte Land bleiben will, so mnß es
dem Fortschritt hnldigen, denn ohne Fortschritt wird in den
Zeitungen kein Land mehr gelobt. Eisenbahnen, Telegraphen,
Fabriken, Gasbeleuchtung, gute Gasthöfe, wo möglich anch noch
Zeitungen, Theater und Bälle — diese Dinge sind es, die das
einst so berühmte Land annehmen und cultiviren muß, wenn es
seine Bedeutung nicht ganz verlieren will.

Der Ansang ist gemacht, die Eisenbahn von Jaffa (dem
alten Joppe) nach Jerusalem beschlossene Sache und werden
nächstens die Projektirungsarbeiten beginnen. Als König Salomo
das Tempelbanen anfing, machte er es schon so wie später König
Ludwig, er kaufte sich nämlich selbst Steinbrüche, um Baumate-
rialien zn gewinnen, und zwar in der Nähe von Joppe. Die
Herren Steinlieferanten, Maurermeister und königlich israeli-
tischen Oberbauräthe werden wohl dazumal in derselben
Weise ihren Profit genommen haben, wie heut' zu Tage. Ja,
wenn damals von Joppe nach Jerusalem schon die Eisenbahn
gegangen wäre, dann hätte sich Salomo leicht gethan und wären
ihn seine Bauten auch nicht so thener gekommen.

Dem Mangel wird nun abgeholfen und die Bahn gebaut.
Die bekannteste Station auf der Route ist das freundliche
Städtchen Emaus. Die Ausflüge der Einwohner von Jeru-
salem dürften sich besonders am Ostermontag nach diesem Orte
richten. Möchte sich dort ein tüchtiger Gastwirth etabliren, um
den alten Ruf dieser Einkehr zu erhalten. Dann werden die
Lente, wenn es auch „Abend werden will" doch „bei ihm bleiben",
besonders wenn die palästinische Generaldirektion etwa die Rück-
sicht hat, noch um 10 Uhr Nachts einen Zug nach der Haupt-
stadt abgehen zu lassen.

Jn Jerusälem gab es seit ein Paar Tausend Jahren schon
manche Reibereien nnd Zwistigkeiten. Neu aber dürfte daselbst
die Streitfrage sein: Wo soll der Bahnhos hinkommen? Am
natürlichsten stünde er vor dem Jasfa-Thor, wodurch die Kauf-
läden und Parterrelokalitäten in der Davidsstraße in hohem Grad
gewinnen müßten. Vor dem Damaskusthor liegt die Grotte des
Jeremias. Derselbe muß doch kein sonderlicher Prophet gewesen
sein, sonst hätte er gewußt, wohin einst die Eisenbahn gehen
wird und sich am Jaffathor angekauft. Unausbleiblich wäre die
 
Annotationen